Das Wichtigste in Kürze
- Der Eidg. Datenschützer ist alarmiert wegen möglichen Datenmissbrauchs im Zusammenhang mit den National- und Ständeratswahlen in einem Jahr.
- Die Bevölkerung soll über die Bearbeitung von digitalen Personendaten während des Wahlkampfs auf dem Laufenden gehalten werden.
- Der Datenschützer bildet zu diesem Zweck zusammen mit Experten und Vertretern von sozialen Medien ein Diskussionsforum.
Während wir auf politischen Websites surfen, sammeln im Hintergrund Programme von Facebook oder anderen sozialen Medien fast immer Daten. Kurze Zeit später erhalten wir mit grosser Wahrscheinlichkeit Politwerbung angezeigt.
Facebook registriere, wer wann auf welcher Website war, erklärt Daniel Graf, selbständiger Kampagnen-Spezialist. Dies ermögliche es einer Partei oder einer Organisation – wenn ein gewisses digitales Instrument installiert sei – individuell Werbung aufzuschalten. Alle vier Bundesratsparteien hätten solche Werkzeuge installiert.
Mailadresse und Facebook-Profil verknüpft
Noch mehr gibt preis, wer sich mit seiner Mailadresse für einen Newsletter einer Partei oder eines Komitees einschreibt. Die Mailadresse lässt sich mit dem zugehörigen Facebook-Profil verknüpfen. Parteien und Komitees können dadurch viel über ihre neuen Sympathisanten erfahren. Auch können sie in einem zweiten Schritt gezielt Polit-Werbung für Menschen schalten, die ähnliche Interessen, Umfelder oder Berufe haben wie ihre neu gewonnenen Sympathisanten.
Graf spricht von «einer Art Domino-Effekt»: Facebook eruiere mittels einer einzigen Adresse gleich eine ganze Gruppe von Adressen. «Das erlaubt es, mit relativ wenigen Daten, eine ganze Gruppe von Menschen zu erreichen.»
Besonders schützenswerte Daten!
Dem Eidgenössischen Datenschützer Adrian Lobsiger macht sich deswegen grosse Sorgen. Mit Polit-Daten dürfe man nicht gleich umspringen wie mit anderen Daten, etwa solchen über das Einkaufsverhalten, sagt er. Daten über politische Meinungen seien nämlich per Gesetz «besonders schützenswert», weil es um den Kern unserer Persönlichkeit gehe. «Es ist nicht das gleiche, wie bei der Werbung», betont Lobsiger.
Der Datenschützer hat letzten Herbst deshalb Regeln aufgestellt, wonach Parteien und Komitees die Menschen im Detail informieren müssen, wozu sie deren Daten verwenden. Und die Betroffenen müssen dem ausdrücklich zustimmen, zum Beispiel, indem sie auf der Website ein Häkchen setzen.
Nur die FDP vorbildlich
Ein Blick auf die Seiten der vier Bundesratsparteien aber zeigt, dass einzig die FDP von neuen Abonnenten des Partei-Newsletters ausdrücklich ein Einverständnis mit ihren Kampagnen-Methoden verlangt.
Ob sich die anderen Parteien also nicht an die Regeln halten, dazu will Lobsiger noch nichts sagen. Allerdings hofft er auf einen Dialog – und dass bei Parteien und Komitees die Sensibilität für den Datenschutz wachse. «Es geht mir darum, dass die einzelnen Parteien schauen, wie sie ihre Kampagnen Datenschutz-konformer gestalten können.»
Braucht es eindeutige Regeln?
Kampagnen-Spezialist Graf wünscht sich vom Datenschützer ein offensiveres Vorgehen. Etwa eine klare Liste auf der zum Beispiel festgelegt ist, welche Werbemethode akzeptiert sei und welche nicht.
Doch Datenschützer Lobsiger wählt einen anderen Weg. Er will ab kommendem Herbst Politologen, kantonale Datenschützer, Parteien und Vertreter von Facebook an einem Tisch bringen und so möglichst viel Transparenz schaffen. Die Erwartungen dämpft er aber gleich selbst: «Ich verspreche nicht, dass ich zusammen mit meinen Kollegen faire Wahlen garantieren kann.»
Denn ein Problem bleibt: Rechtlich hat der Datenschützer kaum eine Handhabe, gegen Kampagnen-Methoden von ausländischen Playern wie Facebook und Co. vorzugehen.