Samstagnachmittag in der Innenstadt Luganos: Viele Männer und wenig Frauen bringen das aktuelle Wahlkampf-Motto «Cambiamo ora», also «Verändern wir's jetzt», an die Wählerinnen und Wähler. SVP-Nationalrat Piero Marchesi ist einer dieser Menschen. «Wir sind bisher die einzigen, die sich so unter das Volk mischen. Vielleicht ist das der Unterschied zu den anderen Parteien».
Marchesi will endlich in die Tessiner Regierung. Der Einzug der SVP in die Regierung soll das Trampolin sein, um im Südkanton weiter zu wachsen. Die Argumente dafür sind die bekannten.
Wahlkampfleiter Alain Bühler zählt sie auf: «Wir haben als Grenzkanton grosse Probleme mit den Flüchtlingen aus Afrika. Wir haben zu viele italienische Grenzgängerinnen, die unser Lohnniveau drücken. Wir wollen, dass die Tessinerinnen hier Arbeit haben und dass ihnen genug Geld im Portemonnaie zum Leben bleibt. Wir brauchen mehr Sitze im Parlament.»
SVP und Lega mit fast identischen Botschaften
Bisher besetzt die SVP sieben der 90 Parlamentssitze. Die Botschaften der Volkspartei sind fast identisch mit jenen der traditionellen Tessiner Rechtsbewegung Lega dei Ticinesi. Die Lega hat in den letzten Jahren aber an führenden Köpfen und an Kraft verloren. Anders als die Lega ist die SVP nicht in die Regierung eingebunden.
Als Oppositionspartei kann sie daher angriffiger sein. Ihre Vertreter geben sich zugänglich und versprechen in unsicheren Zeiten Sicherheit. Das Rezept dafür heisst: ausgeglichene Kantonsfinanzen. Fast wie eine glückliche Fügung des SVP-Schicksals mutet die Tatsache an, dass der Kanton Tessin auch wegen des Fehlens der Nationalbank-Millionen und der Corona-Pandemie grosse Verluste schreibt.
Die Volkspartei will den Kanton gesund sparen. Für die Jugend, wie sie sagt. Die soll im Tessin weiterhin eine Zukunft haben. Viele Tessiner und Tessinerinnen befürchten, dass ihre Jungen in die Deutschschweiz abwandern, weil ihnen hier die Perspektiven fehlen.
Zielpublikum Deutschschweizer
Im Fokus der Partei sind nicht nur die Jungen, sondern auch die Deutschschweizer und Deutschschweizerinnen, die ins Tessin ziehen. So hat die SVP als einzige Partei eine deutschsprachige Sektion im Tessin. Deren Präsident, Christoph Nünlist erzählt, dass man sich zweimal im Monat treffe. «Wir haben einen Stamm. Dort diskutieren wir über Politik, aber auch über andere Themen. Das ist vom Sozialen her sehr interessant.»
Die Lega hat eine Tessiner Optik. Die SVP hingegen gibt es in der ganzen Schweiz, sie hat eine globalere Vision. Das sagt mir mehr zu.
Dieser Stamm funktioniere auch als Integrationsmassnahme. Das Interesse, bei der SVP mitzumachen, wachse ständig. Das habe auch damit zu tun, dass die nationale Partei mit ihrem Tessiner Präsidenten Marco Chiesa hier sichtbarer geworden sei.
Chiesa-Effekt?
Profitiert die Partei im Kanton also vom sogenannten Chiesa-Effekt? Auf jeden Fall, sagt Andrea Giudice. Der Anwalt sass lange Jahre für die FDP im Tessiner Kantonsparlament. Die Partei war ihm aber zu wenig rechts. Darum kandidiert er jetzt für die SVP, nicht für die Lega: «Die Lega hat eine Tessiner Optik. Die SVP hingegen gibt es in der ganzen Schweiz, sie hat eine globalere Vision. Das sagt mir mehr zu.»
Ob die SVP auf Kosten der Lega wächst, wird sich am 2. April zeigen. Die Zeichen der Zeit mit dem Krieg in der Ukraine und einem nationalen Parteipräsidenten aus dem eigenen Kanton stehen auf jeden Fall günstig für den angestrebten Wachstumskurs der Schweizerischen Volkspartei im Tessin.