Der grösste Teil der Wertschöpfung fällt in Stromgesellschaften aus dem Unterland an. Graubünden will dies nun ändern und plant einen Paradigmenwechsel. Der Bündner Energiedirektor und aktuelle Regierungspräsident Mario Cavigelli sagt es so: «In der heutigen Situation profitiert das Berggebiet, die Bergkantone, vom Potenzial aus der Wasserkraft zu wenig.»
Karten werden neu gemischt
Graubünden will die Gunst der Stunde nutzen. Bei vielen Wasserkraftwerken laufen nämlich die Konzessionen aus. Zwischen 2035 und 2050 kommt es zu sogenannten Heimfällen. Wie vom Gesetz vorgesehen, können der Kanton und die Gemeinden, die all die Jahre das Recht zur Wassernutzung vergeben haben, die Anlagen dann günstig übernehmen. Etwa zu einem Viertel ihres Werts, wie der Kanton vorrechnet.
Zeit also, die Karten neu zu mischen, sagt Cavigelli. Der Kanton wolle nicht zum Kraftwerksbetreiber werden, man setze weiterhin auf Partnerschaften mit Stromproduzenten. Allerdings will sich der Kanton deutlich stärker an den Kraftwerken beteiligen.
Heute hält der Kanton zehn Prozent am Bündner Kraftwerkspark. 30 bis 40 Prozent sollen es künftig sein. Gemeinsam mit den Gemeinden wolle man in der Regel die Mehrheit anstreben.
Stromversorgungssicherheit für Wirtschaft und Gesellschaft
«Wenn wir als öffentliche Hand Graubünden an der Bündner Wasserkraft mehrheitsbeteiligt sind, so haben wir die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass die Bündner Gesellschaft, die Wirtschaft und das Tourismusgewerbe mit Strom beliefert werden», sagt Cavigelli.
Aber natürlich gebe es auch finanzielle Aspekte. «Wir können aus der Beteiligung an Stromkraftwerk-Gesellschaften mehr Energie erwerben, diese in Wert setzen und letztlich damit verdienen.» Die Wertschöpfung soll vermehrt im Kanton bleiben und nicht mehr vor allem im Unterland anfallen.
In Graubünden ist man überzeugt davon, dass die Wasserkraft – mit dem eingeschlagenen Weg hin zu erneuerbaren Energien in Europa und in der Schweiz – weiter an Bedeutung gewinnt. Die Chancen der geplanten Strategie seien denn auch grösser als die finanziellen Risiken.
Es gibt gute Jahre, es gibt schlechte Jahre. Man darf nicht übermütig werden, wenn es gut und rund läuft.
Doch: Übermut sei fehl am Platz, sagt der Bündner Energiedirektor. «Es gibt gute Jahre, es gibt schlechte Jahre. Man darf nicht übermütig werden, wenn es gut und rund läuft.» Man müsse dann gewisse Reserven bilden. «Es ist eine gewichtete Risikoreduktion, auch immer mitzudenken.»
Bergkantone wollen selbst bestimmen
Graubünden will also künftig eine deutlich grössere Rolle spielen im Schweizer Wasserkraftgeschäft – und als Grossaktionär die Strategie der Wasserkraftanlagen vor der Haustüre direkt mitbestimmen können.
Auch andere Bergkantone gehen in diese Richtung. Im wichtigsten Wasserkraftkanton, dem Wallis, hat das Kantonsparlament bereits vor fünf Jahren beschlossen, die Stromproduktion aus Wasser verstärkt unter kantonale Kontrolle zu bringen.