«Die Situation ist speziell, rund ein halber Meter Neuschnee in 24 Stunden, das erlebt man hier nicht jedes Jahr im Walliser Talgrund», sagt der Klimaexperte David Volken. Im höher gelegenen Zermatt ist die Schneedecke nun gar 1.5 Meter dick.
Die Situation ist prekär.
Auch Peter Schwitter, Chef des Sicherheitsdienstes der Region Aletsch, beobachtet die Lawinen. «Die Lawinengefahr-Stufe 5 wird selten ausgerufen.» Da müssen gleich mehrere Faktoren zusammenkommen, sagt er: «Eine schlechte Schneedecke seit Dezember beispielsweise. Und immer wieder Neuschnee.»
In steilen Böschungen können problemlos spontan grössere Lawinen ausgelöst werden. Evakuieren sei – jedenfalls in der Region Aletsch – noch nicht angezeigt. «Aber man muss jetzt wirklich zuhause bleiben oder sich auf Strassen aufhalten», rät der Experte.
Problem 2: Das Wasser
Währenddem im Hochgebirge die Lawinen für Gefahr sorgen, ist es unter 1500 Meter über Meer das Schmelzwasser: «In den nächsten Stunden werden wir ein Problem bekommen.» Aktuell fliesse extrem viel Wasser ab, dieses müsse irgendwo in die Wasserleitungen, die aber noch verstopft sind von gepflügtem Schnee.
Dazu kommt Regen. «Das beschleunigt die Schneeschmelze zusätzlich», sagt Klimaexperte David Volken. Er geht davon aus, dass im Jura, im Mittelland und in den Voralpen bis morgen ein mässiges Hochwasser entstehen kann. Bei Basel werde der Rhein stark ansteigen, eventuell so stark, dass die Schifffahrt eingestellt werden muss.
Erinnerungen an den «Lawinenwinter» kommen hoch
1999 war ein Winter mit schweren Folgen. Innerhalb von 30 Tagen fallen fünf Meter Schnee – in den Schweizer Alpen gehen 1550 Schadenlawinen nieder. Die Lawinen zerstören unzählige Wälder, Verkehrswege und töten 17 Menschen.
Der Lawinenwinter 1999 in Bildern
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Bild 1 von 7. Am Abend des 21. Februar 1999 gehen insgesamt fünf Lawinen auf Evolène nieder. Die Bevölkerung ist nicht auf die Naturkatastrophe vorbereitet – es gilt nur die zweithöchste Warnstufe. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 7. Zwölf Menschen werden in Evolène unter den Schneemassen begraben. Es ist eines der schwersten Lawinenunglücke in der Schweiz im 20. Jahrhundert. Später werden der Gemeindepräsident und der Sicherheitschef vor Bundesgericht wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung verurteilt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 7. Eine Tragödie spielt sich auch im Berner Oberland ab. In der Nacht vom 7. auf den 8. Februar 1999 zerstört eine Lawine das Café Oberland in Wengen. Das Besitzerehepaar verliert bei diesem tragischen Unglück das Leben. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 7. Dieser Dorfteil von Oberried am Brienzersee muss wegen der Lawinengefahr evakuiert werden. Insgesamt werden im Berner Oberland 1722 Personen in Sicherheit gebracht – teilweise während bis zu 18 Tagen. Mehrere Dörfer müssen über Luftbrücken versorgt werden. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 7. Glück im Unglück haben hingegen die Bewohner dieses Mehrfamilienhauses in Leukerbad. Am 25. Februar 1999 wird der obere Teil des Hauses vom Luftdruck einer gewaltigen Staublawine zerstört. Es entsteht nur Sachschaden. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 7. Am meisten Schnee fällt im Winter 1999 im Skigebiet von Elm. Zwischen dem 27. Januar und dem 25. Februar 1999 sorgen drei langanhaltende Nordwest-Staulagen am Alpennordhang für ergiebige Niederschläge. In der letzten der drei Perioden vom 17. bis am 25. Februar 1999 fallen in Elm (knapp 1700 m. ü. M) 447 Zentimeter Schnee. Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 7. Unzählige Strassen werden im Alpenraum gesperrt – wie diese Verbindung im Spinatobel zwischen Lenzerheide und Malix (GR) nach einem Lawinenniedergang. Bildquelle: Keystone.
Steuern wir auf einen ähnlichen Winter, eine ähnliche Schadensbilanz zu? Peter Schwitter sagt: «Nein. Davon sind wir meilenweit entfernt. Diese Schneemengen, die wir damals in drei Wochen erhielten, haben wir heute noch lange nicht.» Zudem habe man heute andere Mittel und Massnahmen, um solche Schäden durch Lawinen zu verhindern. «Absolut kontrollieren kann man Lawinen nie», sagt er, aber so grosse Lawinen wie damals, die habe man heute gut im Griff.
Schneeschuhwandern in Hängen oder Skifahren, das sollte man jetzt wirklich bleiben lassen.
Heute seien kleine Hänge und Böschungen diejenigen, die gefährlich seien. Sie werden oft unterschätzt. «Auf der Strasse flanieren oder zuhause aus dem Fenster schauen, das ist das sicherste, was man jetzt tun kann.»