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Wegen Personalmangel Umstrittener Vorschlag soll Zivilschutz stärken

Der Zivilschutz soll gestärkt werden, doch der Vorschlag ist umstritten. Auf Reportage mit Zivilschützern.

«Kollegen wir haben folgenden Auftrag: Wir müssen dem Bach entlang ausholzen.» Joel Bürki gibt seinen Zivilschutz-Kollegen den Auftrag für den Tag bekannt. Die Männer befinden sich im Wiederholungskurs der Zivilschutzorganisation der Region Kirchberg. Während einer Woche sind sie im Einsatz und führen für verschiedene Gemeinden Holzarbeiten an den Bächen aus.

Zivilschutz in Alarmbereitschaft

In den Wiederholungskursen üben die Männer für den Ernstfall: also Überschwemmungen oder Unwetter, wie sie diesen Sommer vorkamen. «In diesem Sommer waren wir immer in Alarmbereitschaft», erklärt Kommandant Dominique Bösiger. Es sei natürlich schrecklich, dass es zu diesen Unwettern gekommen sei. «Umso mehr müssen wir sofort einsatzfähig sein und so schnell wie möglich in den Regionen oder Gemeinden helfen», so Bösiger weiter. Und: Umso wichtiger sei, dass sie genügend Leute hätten.

Personalmangel im Zivilschutz

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Anfang 2024 lag der Personalbestand des Zivilschutzes bei 60'000 Personen. Der Zielwert würde bei 72'000 liegen. Der Bund rechnet damit, dass es bis 2030 noch 50'000 sind.

Ein Grund für den Rückgang beim Zivilschutz sei ein neues Gesetz, das 2021 in Kraft trat, erklärt Kommandant Bösiger. Dieses habe den Einsatz der Zivilschutzleistenden um mehrere Jahre verkürzt. Zudem stellt er fest, dass er sich in Konkurrenz mit dem Militär und dem Zivildienst befinde. «Wir merken, dass wir in gewissen Fachbereichen grosse Mühe haben, Leute zu rekrutieren. Zum Beispiel Köche», so Bösiger. Diese würden auch im Militär gebraucht und deshalb oft dort zugeteilt.

Mann in Arbeitskleidung in einem Besprechungsraum mit zwei Kollegen im Hintergrund.
Legende: Kann Zivis im Zivilschutz brauchen: Kommandant Dominique Bösiger. SRF

Der Zivildienst wurde eingeführt für Personen, die zwar militärdiensttauglich wären, aber den Militärdienst nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können. Wer als militärdienstuntauglich beurteilt wird, kann dem Zivilschutz zugeteilt werden, sofern er die nötigen Kriterien erfüllt.

Ständerat folgt dem Bundesrat

Neu will der Bundesrat Zivildienstleistende bei Bedarf verpflichten, einen Teil ihrer Dienstpflicht im Zivilschutz zu leisten. Der Ständerat führte am Morgen die Debatte.

SP-Ständerätin Franziska Roth ist gegen die Pläne des Bundes: «Zivildienstleistende arbeiten in Spitälern oder in Heimen, und zwar über Monate hinweg. Wenn sie dort für Wiederholungskurse im Zivilschutz herausgerissen werden, ist das absurd und gefährlich für das Gefüge unserer Gesellschaft», so Roth im Stöckli. Zivildienst sei ein wichtiges Gerüst für das Funktionieren der Institutionen wie Schulen oder Spitäler.

Bei der Debatte im Rat meint Mitte-Ständerätin Andrea Gmür: «Es geht keineswegs darum, den Zivildienst zu schwächen.» Im Gegenteil, es gehe um die öffentliche Sicherheit, so Gmür. «Es geht ganz klar darum, die Sicherheit zu stärken. Der Zivilschutz ist Teil der zivilen Verteidigung, und da geht es eben darum, die Bevölkerung im Katastrophenfall zu schützen.»

Das hat der Ständerat beschlossen

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Personen, die Zivildienst leisten, dürfen nur zum Zivilschutz geschickt werden, wenn der Zivilschutz alle Mittel ausgeschöpft hat, um genügend Personal zu bekommen. Wer einen Teil des Zivildienstes im Zivilschutz leistet, muss mindestens die reguläre Grundausbildung des Zivilschutzes absolvieren und kann bei Ereignissen aufgeboten werden.

Ebenso will der Ständerat nicht, dass Zivilschutzorganisationen für den Einsatz von Zivis eine Abgabe leisten müssen. Auch eine Möglichkeit für den Bundesrat die Schutzdienstpflicht beim Zivilschutz statt auf bis 14 auf maximal 18 Jahre zu erhöhen, wenn Personal beim Zivilschutz fehlt, lehnte er ab.

Ausserdem sollen mehr ehemalige Armeeangehörige zum Zivilschutz umverteilt werden können. Diesem Teil der Vorlage stimmte der Ständerat mit 38 zu 0 Stimmen und ohne Enthaltung zu.

Neu wird Zivilschützer, wer militärdienstpflichtig ist und bis zum 25. Geburtstag die Rekrutenschule (RS) nicht absolviert hat. Auch wer nach dem Absolvieren der RS dienstuntauglich wird, soll neu Schutzdienst leisten. Dies unter der Voraussetzung, dass noch mindestens achtzig Diensttage zu leisten sind.

Auch beim Wohnsitzprinzip will der Bundesrat ansetzen. Zivilschützer sollen, wenn in ihrem Wohnkanton ein Überbestand herrscht, für ihren Dienst in einen anderen Kanton geschickt werden können, wenn es dort zu wenige Zivilschützerinnen und Zivilschützer gibt. (sda)

Roth kämpfte auf verlorenem Posten, der Ständerat folgte dem Bundesrat mit 33 zu 9 Stimmen deutlich. Die zweiteilige Vorlage geht nun an den Nationalrat.

Vorbeugen für Referendum

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Der Bundesrat hat die Vorlage in zwei Teile geteilt. Die Idee dahinter: Wird gegen die in der Vernehmlassung umstrittene Umteilung der Zivis zum Zivilschutz das Referendum ergriffen, sollen die nicht umstrittenen Teile nicht verzögert in Kraft treten oder gar scheitern. (sda)

Sollte die Vorlage auch in der Grossen Kammer eine Mehrheit finden, überlegt sich Roth, das Referendum zu ergreifen.

Wir können Zivildienstler im Zivilschutz sicher brauchen.
Autor: Dominique Bösiger Kommandant Zivilschutz

Zurück bei Zivilschutz-Kommandant Dominique Bösiger und seinen Männern. Könnte er denn die «Zivis» – wie die Zivildienstleistenden genannt werden – überhaupt brauchen? «Wir können Zivildienstler im Zivilschutz sicher brauchen. Wir haben genug Arbeit, man kann sie in den verschiedenen Fachbereichen, wo sie ihre Stärken haben, exzellent einsetzen.»

10 vor 10, 17.9.2024, 21:50 Uhr

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