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In Zürich entsteht neu eine Anlaufstelle für Opfer weiblicher Genitalbeschneidungen
Aus Regionaljournal Zürich Schaffhausen vom 21.09.2023. Bild: Reuters/Lucy Nicolson
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Weibliche Genitalverstümmelung Zürich setzt mit Anlaufstelle für Genitalbeschneidung ein Zeichen

Die weibliche Genitalbeschneidung ist in der Schweiz ein Tabuthema. Kantone und Organisationen kämpfen dagegen an.

Es ist ein Eingriff ohne medizinische Not. Ein Eingriff, der bei Frauen und Mädchen häufig ohne Betäubung und unter unhygienischen Umständen erfolgt. Und vor allem ist es ein Eingriff, der tödlich ausgehen kann oder bei Betroffenen ein Leben lang grosses Leiden auslöst – gesundheitlich wie seelisch. Und trotzdem sind auch in der Schweiz weiterhin tausende Mädchen und Frauen von Genitalbeschneidungen betroffen oder bedroht.

Ein Mädchen wird von ihrer Mutter bei einer Beschneidung festgehalten.
Legende: In vielen Staaten ist die Beschneidung von Mädchen verboten, dennoch wird sie in Teilen Afrikas, Asiens und dem Nahen Osten noch vollzogen. Keystone/Jean-Marc Bouju

Experten schätzen die Zahl der Betroffenen in der Schweiz auf 22'000 – im Kanton Zürich dürften es gegen 3000 Mädchen oder Frauen sein. Sie alle sind Opfer einer schweren Menschenrechtsverletzung. Internationales Recht, die Gesetzgebung der Schweiz und der allermeisten anderen Staaten verbieten weibliche Genitalbeschneidungen. Dennoch wird der Eingriff in Teilen Afrikas, Asiens und im Nahen Osten vorgenommen.

Neue Anlaufstelle in Zürich

Zum Schutz von Mädchen und Frauen wird das Netz von Anlaufstellen in der Schweiz nun ausgebaut. Der Kanton Zürich richtet im Ambulatorium Kanonengasse in der Zürcher Innenstadt eine Beratungsstelle ein, in der sich Betroffene, Gefährdete, aber auch Fachpersonen und Angehörige kostenlos unterstützen lassen können. Der Betrieb startet Anfang 2024, die Kosten für die nächsten vier Jahre betragen zwei Millionen Franken.

Sara Aduse: Die Schweizer Stimme für weibliche Beschneidungsopfer

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Legende: Sara Aduse Foundation

Sara Aduse war sieben Jahre alt, als sie in Äthiopien beschnitten wurde. Mit zwölf Jahren kam sie in die Schweiz, wurde 2013 eingebürgert und fand den Mut, ihre Geschichte zu veröffentlichen. So entstanden der Dokumentarfilm «Do You Remember Me?», in dem sie in Äthiopien ihre Beschneiderin suchte, und das Buch «Ich, die Kämpferin», in dem sie ihre Geschichte verarbeitet. Heute setzt sie sich mit der «Sara Aduse Foundation» für eine Welt ohne Mädchenbeschneidung ein.

SRF News: Sara Aduse. Im Kanton Zürich wird nun eine Anlaufstelle geschaffen zum Thema Genitalbeschneidung. Was bedeutet das Ihnen?

Ich freue mich sehr, weil die neue Anlaufstelle eng mit mir zusammenarbeitet. Ich bin so etwas wie die Stimme für Frauen, die in der Schweiz von Genitalbeschneidungen betroffen sind. Und ich wünsche mir, dass diese Frauen nun den Mut haben, familiäre Tabus zu durchbrechen und dagegen vorzugehen.

Was macht es in der Schweiz schwierig, gegen Genitalbeschneidungen bei Mädchen und Frauen vorzugehen?

Man spricht nicht darüber. Es ist ein tabuisiertes Thema. Kinder sprechen nicht darüber, wenn ihnen eine Genitalverstümmelung droht. Ich beispielsweise habe mich auf die Beschneidung gefreut, weil man mir gesagt hat, dass ich dadurch eine richtige Frau werde. Erst als mich dann drei Frauen festgehalten haben, wurde mir bewusst, dass es eigentlich Folter ist. Deshalb muss Aufklärungsarbeit geleistet werden, damit junge Mädchen dieses Thema ansprechen.

Sie selbst wurden im jungen Alter beschnitten. Was bedeutet dieser Eingriff für Betroffene?

Es verändert, wie man die Welt wahrnimmt. Es kommt zu einem Vertrauensverlust. Und man wird nie eine erfüllte Sexualität erleben können. Die weibliche Beschneidung hat bei jedem Opfer andere Folgen. Aber es ist traumatisierend und es hindert Mädchen und Frauen daran, ein erfülltes Leben zu leben. Die Opfer brauchen danach häufig therapeutische Hilfe, aber auch viel Fürsorge, Verständnis und Liebe, um wieder zu sich selbst zu finden.

Die Hilfe für Betroffene sei dringend angezeigt, sagt die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli. «Viele Frauen haben das Gefühl, Genitalbeschneidungen gehörten einfach zu ihrer Kultur und sie könnten nichts dagegen unternehmen. Das ist aber nicht so.» Deshalb sei es wichtig, Betroffene in ihrer Landessprache und in ihrer Community zu erreichen, so Rickli – beispielsweise über die Schule, das Asylwesen oder die Religion.

Verzögerungen wegen Corona

Das Thema Genitalbeschneidungen begleitet die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli schon seit Jahren. Bereits 2018, als sie noch für die SVP im Nationalrat sass, reichte sie einen Vorstoss ein, der Massnahmen forderte. Und der Bericht des Bundesrats zwei Jahre später zeigte dann auch schweizweiten Handlungsbedarf auf.

Unterdessen existieren in verschiedenen Kantonen Anlaufstellen – die neuste nun im Kanton Zürich, drei Jahre nach dem Bericht des Bundes. Rickli betont, dass die Corona-Pandemie zu Verzögerungen geführt habe. «Wir haben das Thema trotzdem im Hintergrund weiter vorangetrieben, haben einen runden Tisch organisiert und mit Betroffenen gesprochen.» Das alles brauche erstens Vorbereitungszeit und zweitens eine bewilligte Finanzierung.

Betroffenen die Scham nehmen

Es sei wichtig, dass in möglichst vielen Kantonen ein niederschwelliges Unterstützungsangebot existiere, sagt Simone Giger vom Netzwerk gegen Mädchenbeschneidung Schweiz. «Weibliche Genitalbeschneidung ist ein Tabuthema, ein sehr intimes und häufig schambehaftetes Thema. Und für Mädchen und Frauen, die davon betroffen oder bedroht sind, ist es sehr schwierig, darüber zu sprechen.»

Die Tabuisierung des Themas sieht Giger dann auch als grösste Herausforderung, sowohl in einer Beziehung wie auch in Diskussionen unter Fachpersonen. Gerade hier helfe die Expertise der verschiedenen Anlaufstellen, sagt Giger. Dass nun mit Zürich der bevölkerungsreichste Kanton und derjenige mit den meisten Opfern in das bestehende Netz integriert wird, sei «ein weiterer, wichtiger Schritt» im Kampf gegen Frauenbeschneidungen.

Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 21.09.23, 12:03 Uhr ; 

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