- Die fast 2.3 Millionen Genossenschafterinnen und Genossenschafter stimmen seit drei Wochen darüber ab, ob die Migros Alkohol verkaufen darf oder nicht.
- Noch bis heute ist eine Stimmabgabe – entweder persönlich in der Filiale oder per Post – möglich.
- Das Resultat der Abstimmung wird erst Mitte Monat bekannt gegeben. Wo sich weniger als zwei Drittel für den Alkoholverkauf aussprechen, bleibt alles beim alten.
Bei der Migros geht die Abstimmung, ob Alkohol verkauft werden soll oder nicht, auf die Zielgerade. Ab dem nächsten Dienstag, 7. Juni, werden nach Angaben der Migros die eingegangenen Stimmkarten ausgezählt und von einer Revisionsstelle geprüft und bestätigt. Der «orange Riese» wird das Resultat des Votums dann Mitte Juni bekannt geben.
Wo sich mehr als zwei Drittel der Stimmenden für den Alkoholverkauf aussprechen, treten die angepassten Statuten per 1. Juli 2022 in Kraft. Im entsprechenden Grundsatz soll der Alkoholpassus gestrichen werden; die Migros würde neu nur noch auf den Verkauf von Tabakwaren verzichten. Mit einem Verkaufsbeginn von Bier, Wein und Spirituosen rechnet der Grossverteiler ab nächstem Jahr.
Die Abstimmung über den Alkoholverkauf bei der Migros gab zu reden. Die nationale Präventionsorganisation Sucht Schweiz startete sofort eine Kampagne gegen diese kommerzielle Entwicklung der Migros: Mit rund 900 zusätzlichen Verkaufsstellen würde der Verkauf von Alkohol in der Migros die alkoholbedingten Probleme in der Schweiz erheblich erhöhen, schreibt sie auf ihrer Website. Auch der Ex-Migros-Chef Herbert Bolliger mobilisierte gegen einen Alkoholverkauf, weil damit seiner Ansicht nach die Migros-Werte geschwächt würden.
«Allmächtiger Alkoholkapitalismus»
Das Alkoholverbot bei der 1925 gegründeten Migros gilt seit 1928. Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler hat es erlassen, um die öffentliche Gesundheit zu schützen und gegen den «allmächtigen Alkoholkapitalismus» zu kämpfen. Die «verheerenden Schnapsgewohnheiten» würden die Menschen in die Armut treiben. Tatsächlich war in dieser Zeit der Alkoholismus in der Schweiz weit verbreitet.
Noch Duttweiler selbst liess 1948 eine Abstimmung über das Alkoholverbot durchführen. Die Genossenschafterinnen und Genossenschafter stützten es mit 52.4 Prozent.
Veränderte Konsumgewohnheiten
Seit 1983 ist das Verbot auch in den Statuten der regionalen Genossenschaften verankert – mit Ausnahme Genfs. Den zehn Migros-Geschäftsleitungen oder Verwaltungen sind in den Regionen Genossenschaftsräte zugeordnet. Sie zeigen ein geteiltes Bild. Gegen die Abschaffung des Verbots ist allerdings keiner. Die Genossenschaften der Regionen Genf, Neuenburg-Freiburg und Aare beschlossen Stimmfreigabe.
Die Delegierten des Genossenschafts-Bundes stellten sich bereits mit einer Zwei-Drittels-Mehrheit hinter den Alkoholverkauf. Die Leitung begründet die Abkehr vom Verbot mit der veränderten sozialen Situation und geänderten Konsumgewohnheiten. Kauften die Kunden bei einem Grossverteiler Alkohol, würden sie dort gleich auch Lebensmittel mitnehmen, lautet die Argumentationslinie. Der Migros entgehe so ein nicht unbedeutender Teil des Warenkorbs.
Im gnadenlosen Konkurrenzkampf des Detailhandels sehen die Alkoholbefürworter die Migros damit einem wesentlichen Wettbewerbsnachteil ausgesetzt. Der Migros sitzen Coop, Lidl, Aldi und der Online-Handel im Nacken. Die Migros hat ihren Platz als Nummer eins im Schweizer Einzelhandel bereits an Coop verloren.