Abschreckende Beispiele gibt es genug. Das kleine Berggasthaus Aescher-Wildkirchli im Kanton Appenzell Innerrhoden. Die Altstadt von Luzern oder die Felsenarena Creux du Van im Neuenburger Jura – alles Orte, an denen der eigentlich angestrebte Tourismus ins Negative zu kippen droht. Zu viele Leute besuchen die Orte und bedrohen den Reiz, den sie eigentlich ausstrahlen sollten.
Zu viel Tourismus an schönen Orten
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Bild 1 von 6. Postkarten-Idylle am Creux du Van im Neuenburger Jura. Die spektakuläre Felsformation fasziniert... Bildquelle: Keystone/Alessandro Della Bella.
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Bild 2 von 6. ...und zieht deswegen an schönen Tagen massenhaft Touristinnen und Touristen an. Zwischenzeitlich wurde ein Teil des Gebietes wegen des Grossandranges auch gesperrt. Bildquelle: Keystone/Jean-Christophe Bott.
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Bild 3 von 6. Das Gasthaus Aescher-Wildkirchli im Alpstein liegt malerisch angelehnt an eine steile Felswand. Es hat insbesondere durch Fotos in sozialen Medien internationale Bekanntheit erlangt. Bildquelle: Keystone/Gian Ehrenzeller.
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Bild 4 von 6. Durch die grosse Bekanntheit wurden allerdings immer mehr Leute auf den schmalen und nicht ganz ungefährlichen Pfad zum Aescher gelockt. Das Gasthaus konnte den Ansturm kaum noch bewältigen, die Pächter waren unzufrieden und kritisierten den überbordenden Tourismus. Bildquelle: Keystone/Gian Ehrenzeller.
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Bild 5 von 6. Mit Fotos wie diesem wirbt die Stadt Luzern gerne für ihre zweifellos wunderschöne Altstadt inklusive historischer Kapellbrücke. Bildquelle: Keystone/Urs Flüeler.
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Bild 6 von 6. In der Realität präsentiert sich die Altstadt dann meistens so: Scharenweise Touristinnen und Touristen, die für Tagesausflüge mit dem Bus in die Stadt kommen, strömen über die Kapellbrücke und durch die Gassen der Altstadt. In der Bevölkerung machte sich trotz grosser Wertschöpfung durch den Tourismus auch schon Unmut breit. Bildquelle: Keystone/Urs Flüeler.
Genau das soll am Bettlachstock im Solothurner Jura nicht passieren. Dennoch streben kantonale und regionale Tourismusfachleute eine bessere Vermarktung des Gebietes an. Immerhin ist der Bettlachstock seit knapp zwei Jahren offizielles Weltnaturerbe der Unesco. Etwas Spezielles, denn es gibt in der Schweiz nur vier solche Weltnaturerbestätten.
Und genau zu diesem urtümlichen Naturreservat möchte die Politik nun aber mehr Menschen locken. Gelingen soll die Gratwanderung zwischen mehr Vermarktung und Erhalt der Natur-Idylle am Bettlachstock durch ein spezielles Tourismuskonzept.
Man muss ja nicht immer direkt hineinstehen, damit man die Schönheit der Landschaft und der Natur sieht.
Ziel des Konzeptes ist es, die Leute zwar zum, aber nicht auf den Bettlachstock zu locken. Dafür wurden an einem gegenüberliegenden Berg, der Wandfluh, unter anderem Info-Tafeln und ein Fernrohr installiert. Von hier aus sollen sich Leute über das Weltnaturerbe informieren und es bestaunen können, ohne das Gebiet direkt zu betreten.
Sanfter Tourismus am Bettlachstock
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Bild 1 von 4. Die Solothurner Tourismusfachleute möchten das Weltnaturerbe Bettlachstock als Erfolgsgeschichte der kantonalen Wald- und Naturschutzpolitik besser vermarkten. Bildquelle: SRF/Christoph Studer.
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Bild 2 von 4. Bestaunen, aber nicht betreten: Von der Wandfluh, gegenüber des Bettlachstockes, sollen Touristinnen und Touristen den Bettlachstock erleben können, ohne die Natur zu belasten. Durch den leeren «Bilderrahmen» sieht man die Kernzone des Buchenurwaldes. Bildquelle: SRF/Christoph Studer.
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Bild 3 von 4. Zum Konzept des sanften Tourismus gehören auch Informationstafeln. Diese sind ebenfalls auf der Wandfluh installiert, in Sichtweite des Bettlachstockes. Bildquelle: SRF/Christoph Studer.
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Bild 4 von 4. Blick auf die Wandfluh. Oberhalb der imposanten Felswand befinden sich die Infotafeln zum Bettlachstock, der sich in Sichtweite rechts daneben befindet. Bildquelle: SRF/Bruno von Däniken.
«Man muss ja nicht immer direkt hineinstehen, damit man die Schönheit der Landschaft und der Natur sieht», sagt Franziska Schwarz, die Vize-Direktorin des Bundesamtes für Umwelt. Man könne den Bettlachstock aus der Ferne sehr gut erleben, vielleicht sogar besser als wenn man selber durch den dichten Buchenwald spazieren würde.
Aber ist das Weltnaturerbe auf diese sparsame Weise nicht fast ein bisschen unter Wert verkauft? Reichen ein paar Info-Tafeln, ein Fernrohr und ein Metallrahmen für ein Naturerbe, das globale Bedeutung hat? Ja, das reiche, findet Thomas Schwaller. Der Projektleiter Bettlachstock beim Kanton Solothurn erklärt, man habe das Konzept genau auf das Naturreservat zugeschnitten: «Man müsste den Bettlachstock eigentlich gar nicht in Szene setzen. Er ist, wie er ist.»
Man wolle den Leuten, die sowieso auf dem Jura-Höhenweg unterwegs sind, einfach ein paar zusätzliche Informationen über die einmalige Landschaft und die Bedeutung des Weltnaturerbes mitgeben.
Wanderungen auf den Bettlachstock sind möglich
Beim Tourismusverband der Region Grenchen freut man sich auch über diese sanfte Art der Vermarktung und über die neue «Attraktion» in der Region: «Seien wir ehrlich, wir sind keine grosse Tourismusdestination», sagt Geschäftsführerin Adriana Palermo. Sie hat den Bettlachstock auf der Tourismus-Website bereits nach ganz oben zu den Highlights gestellt.
Für all jene, die sich aber mit der ganz sanften Form des Tourismus nicht zufriedengeben können oder wollen, gibt es geführte Touren auf den Bettlachstock. Auch auf eigene Faust ins Gebiet zu gehen, ist nicht verboten. Allerdings gibt es keine markierten Wege, weshalb die Führungen empfohlen werden. Dafür braucht es dann aber auch noch zünftig Schnauf. Der Buchenurwald am Bettlachstock ist nicht nur Weltnaturerbe, sondern auch ziemlich steil.