In der Schweiz sind viele Waren deutlich teurer als in Nachbarländern, etwa Fleisch, Kosmetika oder Magazine – manche Windeln kosten in Deutschland nur die Hälfte. So lockt das Shoppen ennet der Grenze.
Dem Schweizer Handel entgeht mit dem Einkaufstourismus viel Umsatz: Rund zehn Milliarden Franken im Jahr, sagt der Thurgauer Wirtschaftsdirektor Walter Schönholzer. «Das ist eine gewaltige Summe.»
Verschärft wird die Preisdifferenz durch eine Freimenge für Mehrwertsteuer und Zölle: Beides wird erst fällig, wenn man bei der Einreise in die Schweiz Waren über insgesamt 300 Franken Wert importiert. Die deutsche Mehrwertsteuer erhält man derweil bei vielen Händlern schon ab 50 Franken zurück.
Zwischen diesen beiden Limiten bezahlen Einkaufstouristinnen also gar keine Mehrwertsteuer. «Das finden wir nicht in Ordnung», sagt Walter Schönholzer. Die deutsche Mehrwertsteuer fällt zudem mit 19 Prozent weit mehr ins Gewicht als der Schweizer Normalsatz von 8.1 Prozent.
In Kreuzlingen hat es praktisch keine Detailhändler mehr.
Für Schönholzer ist die Wertfreigrenze ein Wettbewerbsnachteil mit gravierenden Folgen. «Gehen Sie mal nach Kreuzlingen; hier hat es praktisch keine Detailhändler mehr.» Gleich nebenan im deutschen Konstanz sind die Parkplätze voll mit Schweizer Nummernschildern.
Die Wertfreigrenze abschaffen wollen darum die Kantone Thurgau und St. Gallen. Ihre Standesinitiativen fanden im Bundesparlament Mehrheiten, ebenso eine Motion der nationalrätlichen Finanzkommission. Der Bundesrat schlägt deshalb vor, die Wertfreigrenze zu halbieren, womit beim Import künftig ab 150 Franken Mehrwertsteuer und Zölle fällig würden.
Basel-Stadt gegen Änderung
Der St. Galler Wirtschaftsdirektor Beat Tinner hält die Halbierung für ungenügend – dann könne man gleich bei 300 Franken bleiben. Ganz anders sehen dies Baselland und Basel-Stadt.
Die Kantonsregierung von Basel-Stadt hat «Zweifel an der zielgerichteten Wirksamkeit der Massnahme», weil die Rückerstattung der Mehrwertsteuer im Ausland möglich bliebe und der Aufwand zum Bezahlen und für Kontrollen grösser wäre.
Zudem könnten Einkaufstouristen die Verschärfung locker umgehen, indem sie mehr Personen mitnähmen oder häufiger auswärts shoppen gingen. Basler Tramlinien fahren direkt bis vor die Türen grosser Läden in Saint-Louis (F) und Weil am Rhein (D).
Grenzenloser Alltag am Rheinknie
Neben diesen praktischen Argumenten ist der baselstädtische Wirtschaftsdirektor Kaspar Sutter auch grundsätzlich dagegen, administrative und steuerliche Grenzen hochzuziehen. Die Grenzregion Basel ist wie keine andere in der Schweiz mit der Nachbarschaft in Deutschland und Frankreich vernetzt.
«Wir gehen joggen in Frankreich, unsere Nachbarn kommen hier arbeiten, und Schweizerinnen und Schweizer gehen Einkaufen in Deutschland», beschreibt er den Alltag im Dreieckland, wo man die Grenze kaum spüre.
Das Gewerbe hat einen Arbeitsmarkt, der die Grenzen nicht kennt.
Das ganze Gewerbe profitiere ja von Arbeitskräften aus dem Elsass und Südbaden; rund 37'000 Grenzgängerinnen und Grenzgänger sind es alleine im Stadtkanton. «So hat das Gewerbe einen Arbeitsmarkt, der die Grenzen nicht kennt.»
Der Basler Gewerbeverband anerkennt diesen Vorteil, will aber dem Handel doch helfen. Er würde eine Halbierung auf 150 Franken begrüssen, sagt Politikchefin Tamara Alù. «Das wäre ein Schritt in Richtung gleich lange Spiesse.»
Über die Wertfreigrenze entscheidet der Bund. Über die Preise im Laden jedoch der Handel.