- Der SRG-Verwaltungsrat hat über die Ergebnisse der Untersuchungen zu den Belästigungsvorwürfen bei Radio Télévision Suisse (RTS) informiert.
- Die Untersuchungen stellten unter anderem Mängel bei den vorhandenen Instrumenten zum Schutz der Mitarbeitenden fest.
- Nun hat der Verwaltungsrat Massnahmen beschlossen. So werden unter anderem eine externe Ombudsstelle geschaffen und Führungspersonen geschult.
- Bernard Rappaz, Chefredaktor der TV-Nachrichten, und der Personalleiter verlassen RTS. SRG-Generaldirektor Gilles Marchand und RTS-Direktor Pascal Crittin dürfen bleiben.
Die Zeitung «Le Temps» hatte im Oktober 2020 unter Berufung auf anonyme Quellen enthüllt, dass es innerhalb von RTS während Jahren zu Mobbing und zu sexueller Belästigung gekommen sein soll.
Belästigungen und Mobbing
Die Befragten berichteten von offener Belästigung, ungewollten Küssen, anzüglichen Kommentaren und systematischem Machtmissbrauch. Angeschuldigt wurden drei Mitarbeiter, darunter Darius Rochebin, langjähriger Moderator der RTS-Tagesschau. Der Vorwurf: Die Direktion und die Personalverantwortlichen von RTS hätten konsequent weggeschaut.
Rochebin, der im Herbst zum französischen Nachrichtensender LCI wechselte, hat unterdessen eine Verleumdungsklage gegen «Le Temps» eingereicht. Im Raum stand auch, was SRG-Generaldirektor und damaliger RTS-Direktor Gilles Marchand von den Belästigungsfällen wusste.
Nach Bekanntwerden der Vorwürfe hatte die SRG zwei externe Untersuchungen in Auftrag gegeben. Die interne Revision der SRG überprüfte zudem mit externer Unterstützung die vorhandenen Instrumente zum Schutz der persönlichen Integrität der Mitarbeitenden. Diesbezüglich hat die Untersuchung Mängel zutage gefördert.
Entsprechend betroffen zeigte sich SRG-Verwaltungsratspräsident Jean-Michel Cina am Freitag an einer Medienorientierung: «Die SRG duldet keinen Machtmissbrauch, keine Belästigungen oder Mobbing am Arbeitsplatz. Wir werden die Persönlichkeit und die Integrität unserer Mitarbeitenden künftig noch besser zu schützen wissen – und ich bitte all jene um Entschuldigung, bei denen uns dies nicht ausreichend gelungen ist.»
Der Verwaltungsrat ergreift nun Massnahmen: So sollen in den Unternehmenseinheiten die Positionen von internen «Vertrauenspersonen» und einer externen Ombudsperson geschaffen werden. Alle Führungspersonen müssen ein obligatorisches Schulungsprogramm absolvieren, das gezielt für das Thema Belästigung sensibilisiert. Für den Fall der Nichteinhaltung der Bestimmungen sollen Sanktionen erlassen werden.
RTS-Moderator Rochebin entlastet
Die Untersuchungen entlasten RTS-Moderator Darius Rochebin. Keine der Zeugenaussagen habe den Schluss zugelassen, dass es zu Handlungen sexueller oder psychischer Belästigung, Angriffen auf die Persönlichkeit oder Straftaten gekommen sei, schreibt RTS in einer Mitteilung. Rochebin begrüsse die Ernsthaftigkeit der durchgeführten Untersuchungen und fühle sich bestätigt, teilte sein Anwalt mit.
In den beiden anderen untersuchten Fällen stellten die Expertinnen und Experten Handlungen fest, die als Belästigung qualifiziert wurden. Bezüglich Verantwortlichkeiten stellten die Berichte fest, dass von den untersuchten Fällen das Management in zwei Fällen angemessen gehandelt habe. Im dritten Fall wurden Management-Defizite in den RTS-Fachabteilungen festgestellt. Diese Defizite würden nun von der Geschäftsleitung bearbeitet. RTS hat eine externe Prüfung des Personalmanagements und der Personaldienstleistungen in Auftrag gegeben.
Bundesrätin: «Inakzeptable Vorgänge»
Medienministerin Simonetta Sommaruga reagierte empört auf die Ergebnisse der Untersuchung. Dass Mitarbeitende sexuell belästigt worden seien, sei «inakzeptabel». Sie erwarte von der SRG, dass sie alles unternehme, um weitere Vorfälle zu vermeiden und Sexismus, Belästigung und Diskriminierung zu verhindern, schreibt Sommaruga auf Twitter.
SRG-Generaldirektor Gilles Marchand, der zur Zeit der Vorfälle an der Spitze von RTS stand, hat laut Untersuchungen seine Aufsichtsverantwortung in einem Fall zu wenig wahrgenommen. «Dieser Fehler wurde jedoch als nicht schwer bezeichnet. Der Verwaltungsrat der SRG sieht daher keinen Grund, an der Integrität von Gilles Marchand zu zweifeln», betonte Präsident Jean-Michel Cina.
Auch bezüglich RTS-Direktor Pascal Crittin seien die externen Experten zum Schluss gekommen, dass ihm kein Fehlverhalten vorgeworfen werden kann. «Deshalb gibt es für den Verwaltungsrat hier ebenfalls keinen Handlungsbedarf», so Cina.