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Wie wichtig sind die Bilateralen für die Schweiz?
Aus Einfach Politik vom 28.08.2020. Bild: SRF
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Wie nah der EU sein? Transportbranche im Dilemma

Offene Grenzen machen das Transport-Geschäft von SVP-Nationalrat Benjamin Giezendanner schneller und leichter. Transportzölle sind dabei eigentlich ein Hindernis: «Sie verzögern den Warenfluss und kosten Geld», sagt der CEO der Giezendanner Transporte AG.

Offene Grenzen vereinfachen also sein Geschäft. Seine Partei, die SVP strebt aber nach dem Gegenteil. Ziel der Initiative ist es, mit der EU zu verhandeln, um die Freizügigkeit ausser Kraft zu setzen. Wenn das nicht gelingt, muss der Bundesrat das Abkommen innert 30 Tagen kündigen.

Ein Mann sitzt am Steuer eines Lastwagens.
Legende: Benjamin Giezendanner ist SVP-Nationalrat und Unternehmer – das Gemeinwohl gehe für ihn vor seinen Geschäftsinteressen, sagt er. SRF/Ruth Wittwer

Die SVP findet, die Schweiz soll die Zuwanderung wieder selbst steuern. Die sieben Abkommen der Bilateralen I wurden aber mit einer sogenannten «Guillotine-Klausel» verknüpft. Das bedeutet, wenn das Personenfreizügigkeitsabkommen gekündigt wird, fallen alle Verträge weg (siehe Box unten).

Bilaterale I – Was war das nochmals?

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Die Schweiz mehrere bilaterale Abkommen und Verträge mit der EU abgeschlossen. Den Überblick zu behalten, ist schwierig. Im Zusammenhang mit der Begrenzungsinitiative sind folgende sieben Verträge (Bilaterale I genannt) zentral.

  1. Das Forschungsabkommen regelt die Beteiligung der Schweiz an den Forschungsprogrammen der EU. Es läuft Ende Jahr aus und wie es weitergeht ist noch offen.
  2. Die technische Handelshemmnisse: betrifft vor allem Pharmabranche, Maschinenindustrie und Medizinaltechnik. Schweizer Firmen können von einer Schweizer Stelle untersuchen lassen, ob ihr Produkt den EU-Vorschriften entspricht. Ohne Abkommen müssten sie ihre Güter von der EU prüfen lassen.
  3. Der Luftverkehrsvertrag brachte zusätzliche Verkehrsrechte mit der EU. Das soll den Flugpassagieren günstigere Tickets bringen und mehr Auswahl bei den Flugverbindungen.
  4. Das Abkommen zur Landwirtschaft ist dazu da, Zölle zu senken und andere Handelsbarrieren.
  5. Der Vertrag zum öffentlichen Beschaffungswesen bringt den Schweizer Unternehmen zusätzliche Export-Chancen. Das bedeutet mehr Wettbewerb und günstigere Preise.
  6. Die Personenfreizügigkeit, das bekannteste und wichtigste Abkommen: Arbeitgeber haben Zugang zu einem Pool von Fachkräften aus der ganzen EU und der Schweiz.
  7. Das Landverkehrsabkommen bringt unter anderem einen besseren Zugang zum Strassen- und Schienenverkehr.

Benjamin ist der Sohn von Ulrich Giezendanner. Giezendanner Senior war viele Jahre lang für die SVP im Nationalrat und ein gefragter Interviewpartner für die Medien. Benjamins Grossmutter pflegte zu sagen: «Ein Giezendanner reicht.»

Heute ist er also er der Politiker, Firmenchef und Familienvater. Im aargauischen Rothrist führt Benjamin Giezendanner seit ein paar Jahren das Unternehmen mit 450 Containern für Güter auf der Bahn und 170 Camions für Strassentransporte.

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So reagierten Politiker 1998 auf das Landverkehrsabkommen
Aus Tagesschau vom 24.01.1998.
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Giezendanner weiss, dass ein Wegfall der Personenfreizügigkeit sein Geschäft treffen würde, weil sein Transportunternehmen auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen sind. Die Schweiz bilde zu wenig Chauffeure aus, sagt der Firmenchef. Das ist die Haltung des Geschäftsmannes. Trotzdem ist er für die Begrenzungsinitiative. Der Politiker in ihm will das aktuelle Personenfreizügigkeitsabkommen loswerden.

Kleines Dilemma

Deshalb steckt er auch in einem Dilemma, es sei aber nur ein kleines, sagt Benjamin Giezendanner. Er denke nicht nur an sein Geschäft. «Einfach nur nach Gewinn streben, ist für niemanden einträglich», so Giezendanner. Als Unternehmer müsse er auch an das Gemeinwohl denken. Die vielen Ausländer in der Schweiz würden die Sozialwerke noch mehr belasten.

Und er ist überzeugt, dass die EU selbst stark an diesem Abkommen interessiert ist: «Irgendetwas wird es geben», sagt Giezendanner. Vielleicht Kontingente, wie früher, vor den bilateralen Abkommen mit der EU. Für den 38-jährigen ist es an der Zeit, neu zu verhandeln. 20 Jahre nach dem Start des bilateralen Wegs sei vieles überholt.

Eine Lokomotive steht auf dem Firmenareal der Giezendanner AG bereit.
Legende: Im Landverkehrsabkommen ist auch die Verlagerung von der Strasse auf die Schiene geregelt. SRF/Ruth Wittwer

Etwa das Landverkehrsabkommen, das die Transportbranche betrifft. Die NEAT, die schnelle Nord-Süd-Achse der Eisenbahn, sei zum Vorteil der EU ausgehandelt worden, findet der Firmenchef. Dieser Vertrag nütze der EU viel mehr als der Schweiz.

Inhalt der Begrenzungsinitiative

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Die von der SVP lancierte Initiative «Für eine massvolle Zuwanderung (Begrenzungsinitaitve)» will, dass die Schweiz die Zuwanderung von Ausländerinnen und Ausländern eigenständig regeln kann. Bei Annahme der Initiative soll der Bundesrat innerhalb eines Jahres das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU kündigen, falls es nicht in Verhandlungen ausser Kraft gesetzt werden kann. Der Initiativtext verbietet zudem, andere Abkommen abzuschliessen, mit denen ausländischen Staatsangehörigen eine Personfreizügigkeit gewährt würde. Die Abstimmung über die Initiative findet am 27. September statt.

Für Benjamin Giezendanner ist kaum vorstellbar, dass Deutschland, die Beneluxstaaten, Österreich oder Italien einer Kündigung dieses Abkommens zustimmen würden. Deshalb sei das Landverkehrsabkommen quasi ein Pfand, um die EU an den Verhandlungstisch zu bringen.

Schweiz am kürzeren Hebel

Ueli Stückelberger ist Direktor des Verbands öffentlicher Verkehr, der unter anderem die Schienen-Transportbetriebe vertritt. Der Branchenverband ist gegen die Begrenzungsinitiative. Stückelberger kann Giezendanners Argumente nicht nachvollziehen. Die Schweiz habe der EU in den Verhandlungen um das Landverkehrsabkommen viel abgerungen, ganz besonders die Akzeptanz der Schweizer Verlagerungspolitik von der Strasse auf die Schiene. Und damit auch die LSVA, die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe. Mit diesem Geld wurde die NEAT gebaut.

VöV-Direktor Ueli Stückelberger denkt zwar auch, dass bei einem Wegfall des ersten bilateralen Pakets in irgendeiner Form neu verhandelt würde: «Aber die Schweiz könnte bei neuen Verhandlungen nicht mehr aus einer starken Position heraus mitreden.» Man würde am kürzeren Hebel sitzen, befürchtet Stückelberger. Gerade an den Dossiers, in denen es um Umweltaspekte gehe, sei die Schweiz stärker interessiert als die EU.

Ein Mann steht vor einem Tram.
Legende: Eine Annahme der Begrenzungsinitiative würde der Transportbranche schaden, ist Ueli Stückelberger überzeugt. Keystone

Eine Branche, zwei Sichtweisen. Aber beide Seiten sind sich in einem Punkt einig: Sie wollen mit der Europäischen Union weiterhin Geschäfte machen und dafür brauchen sie ein Instrument, um das Verhältnis zu regeln. Doch bei den Aussichten, wie die Schweiz in diese Verhandlungen gehen würde haben die beiden Männer unterschiedliche Meinungen. Der eine findet, die Schweiz würde nur noch im Seitenwagen sitzen. Der andere geht davon aus, dass die Schweiz selbstbewusst und fordernd auftreten könnte.

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