Die harten Resultate sind auf den ersten Blick nicht besonders spektakulär: Im Nationalrat verliert die FDP einen Sitz. Bei den Wählerprozenten ist es ein Verlust von nicht mal einem ganzen Prozentpunkt. Doch über eine längere Zeit gesehen ist das Ergebnis dramatisch: Der Freisinn verliert seit den 1980er-Jahren praktisch jede Wahl, mit Ausnahme von 2015. Eigentlich aber war FDP-Präsident Thierry Burkart mit dem Anspruch angetreten, die SP zu überholen. Eingetreten ist das Gegenteil: Die SP legte leicht zu, die FDP fuhr das schlechteste Resultat aller Zeiten ein.
Historischer Sieg für die Mitte – und die Folgen
Noch schwerer wiegt, dass die Mitte die FDP überholen konnte. Zwar denkbar knapp: Gerhard Pfisters Partei liegt einen einzigen Sitz vor der FDP. Doch an Symbolik ist dieses Resultat kaum zu überbieten. Noch nie lag in der Schweiz eine Partei der politischen Mitte vor der FDP, die übrigens – mit dem korrigierten Wähleranteil – das schlechteste Resultat ihrer Parteigeschichte erzielt hat.
Auch im Ständerat dürfte die FDP das Ziel kaum erreichen, die Mitte als stärkste Kraft abzulösen. Die ersten Szenarien zu den zweiten Wahlgängen deuten darauf hin, dass die Mitte auch in der kleinen Kammer mehr Sitze als der Freisinn erobern wird.
Schon länger hat die FDP Mühe, ihren Anspruch auf zwei Bundesratssitze erklären zu können. Meistens tat sie dies mit dem Verweis auf ihre Vertretung im Ständerat und besonders auch auf ihre Stärke in den kantonalen Regierungen. Doch die Mitte-Partei ist in der kleinen Kammer und in den Kantonen ebenso gut vertreten. Nach den jüngsten Wahlen ist kaum mehr zu rechtfertigen, dass die FDP im Bundesrat doppelt so stark vertreten ist wie die Mitte.
Zweiter FDP-Sitz stark gefährdet
Die FDP wird also alles daransetzen müssen, dass ihr amtsältester Bundesrat Ignazio Cassis noch möglichst lange in der Landesregierung verbleiben wird. Mitte-Präsident Gerhard Pfister bekräftigte am Wahlabend nochmals, dass seine Partei keine amtierenden Bundesräte abwählen wird. Bei den Gesamterneuerungswahlen der Landesregierung im Dezember dürfte es also ziemlich sicher nicht zu parteipolitischen Verschiebungen kommen.
Doch sollte Ignazio Cassis in den nächsten Jahren zurücktreten, dürfte die Mitte zum Angriff blasen. Eine Mitte-links-Mehrheit des Parlaments könnte Pfisters Partei zu einem zweiten Bundesratssitz verhelfen. Die aktuell gültige Zauberformel, wonach die drei wählerstärksten Parteien je zwei Bundesratssitze innehaben, bliebe so bestehen.
Nur Bundesratssitze der SVP unbestritten
Rein arithmetisch hat allerdings auch die Mitte kaum Anspruch auf einen zweiten Sitz in der Regierung. Gute 14 Wählerprozente sind nötig pro Bundesratssitz. Nach sogenannter «arithmetischer Konkordanz» sind eigentlich nur die beiden Bundesratssitze der SVP unbestritten.
Der Erfolg der Mitte ist neu und auch denkbar knapp. Womöglich muss die Mitte diesen Erfolg in vier Jahren erst noch wiederholen, um ihren Anspruch auf einen zweiten Sitz glaubhaft vertreten können.