Nicht nur die SVP, auch die Mitte gehört zu den Wahlsiegerinnen. Die Partei gewinnt einen Nationalratssitz dazu und überholt erstmals die FDP bezüglich Wähleranteil und Anzahl Sitze im Nationalrat. Für Fraktionspräsident Philipp Bregy (VS) ein Grund, mit den anderen Parteien bald einmal über die Zusammensetzung des Bundesrats zu diskutieren.
SRF News: Ihre Partei hat künftig einen Sitz mehr im Nationalrat als die FDP – aber nur einen Bundesratssitz. Kommt jetzt der Angriff?
Philipp Bregy: Dieses Wahlergebnis ist in der Tat historisch. Doch wir haben immer gesagt, dass wir keine amtierenden Bundesräte abwählen. Die Frage nach Verteilung der Bundesratssitze sollten Sie eher der FDP stellen. Sie hat immer mit einer «Podest-Logik» argumentiert: Die drei wählerstärksten Parteien sollen demnach je zwei Vertreterinnen oder Vertreter in der Landesregierung stellen, die viertstärkste eine oder einen.
Hoffen Sie jetzt also auf einen baldigen Rücktritt eines FDP-Bundesrats, um den Sitz in der Regierung anzugreifen?
Hoffnung ist bei uns kein Thema. Wir warten die Entscheide der anderen Parteien ab. Wir werden insbesondere beobachten, wie die FDP ihre Argumentation der «Podest-Logik» weiterführt.
Macht die Zauberformel im Bundesrat noch Sinn mit den aktuellen Parteistärken – Mitte und FDP auf Platz drei und vier praktisch gleichauf?
Schon vor vier Jahren haben wir angeregt, dass die Zusammensetzung der Landesregierung diskutiert werden sollte – denn schon in der letzten Legislatur waren viele Wählerinnen und Wähler nicht mehr im Bundesrat vertreten. Diese Diskussion müssen wir jetzt zwingend führen. Die Mitte war dazu immer offen – und das sind wir auch weiterhin.
Die SVP hat die Wahl mit dem Asyl- und Migrationsthema gewonnen. Wird sich Ihre Mitte-Partei in diesem Bereich jetzt auf die SVP zubewegen, wie das deren Fraktionspräsident Thomas Aeschi fordert?
Wir hören von der SVP in der Asyl- und Migrationspolitik immer nur Kritik, aber keine Lösungsvorschläge. Und solange sie keine Lösungen anbietet, können wir uns nicht auf die SVP zubewegen. Denn die Mitte steht für Lösungen.
Wenn die SVP in Asyl- und Migrationsfragen Lösungen präsentiert, sind wir gerne bereit, darüber zu diskutieren.
Wir werden das Thema also sehr genau verfolgen und versuchen, Lösungen aufzuzeigen. Und wenn die SVP ihrerseits Lösungen präsentiert, sind wir gerne bereit, darüber zu diskutieren.
Wo müsste die SVP Ihnen entgegenkommen?
Die SVP thematisiert beim Thema Zuwanderung immer wieder die Personenfreizügigkeit mit der EU. Diese ist aber nicht verhandelbar, vor allem im Hinblick auf die bilateralen Verträge mit der EU. Eine Kündigung dieser Verträge wäre für die Schweiz fatal. Das weiss eigentlich auch die SVP. Trotzdem bewirtschaftet sie dieses Thema, ohne den Wählerinnen und Wählern zu sagen, dass die Schweiz ohne Personenfreizügigkeit Wohlstand verlieren würde.
Bei Leuten, die sich illegal in der Schweiz aufhalten oder kriminell sind, sind wir durchaus bereit, eine harte Linie zu fahren.
Wichtig ist für uns, dass man klar zwischen Arbeitsmigration und der restlichen Zuwanderung unterscheidet. Wir sind bereit, eine harte Linie zu fahren im Bereich von Leuten, die sich illegal in der Schweiz aufhalten oder kriminell sind. Andererseits ist die Schweiz auf die Arbeitsmigration angewiesen.
Die Mitte bleibt im Nationalrat die wichtigste Mehrheitsbeschafferin. Wohin orientieren Sie sich jetzt: nach links oder nach rechts?
Unsere Partei orientiert sich weder nach links noch nach rechts. Wir machen Lösungen aus der Mitte. Ob die Mehrheiten mit links oder rechts zustande kommen, ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass es gute Lösungen sind – aus der Mitte heraus.
Das Gespräch führte Vera Deragisch.