Für Menschen, die wegen eines Unfalls oder einer Krankheit arbeitsunfähig geworden sind, ist der Weg zurück ins Berufsleben oft steinig. Die Invalidenversicherung IV hat sich in den letzten Jahren vermehrt darauf konzentriert, Betroffene beim Wiedereinstieg in die Arbeitswelt zu unterstützen. Neuste Zahlen des Bundesamtes für Sozialversicherungen zeigen nun, dass dies immer häufiger gelingt.
Ein positives Beispiel ist etwa jene Jugendliche aus dem Kanton Graubünden mit dem Traumberufswunsch Bäuerin, die 15-jährig in der Schnupperlehre beide Beine bei einem Landmaschinenunfall verlor. Heute ist sie voll in den Arbeitsmarkt integriert, als kaufmännische Angestellte in einer Churer Arztpraxis. Sie konnte voll eingegliedert werden und braucht keine Rente mehr, wie der Leiter der IV-Stelle Graubünden, Thomas Pfiffner, berichtet.
Insgesamt nahmen im letzten Jahr rund 56'000 Personen an beruflichen Eingliederungsmassnahmen teil, drei Mal mehr als noch 2008. Sie umfassen unter anderem Coachings, Umschulungen und Arbeitsversuche. Mit der Nachfrage haben sich die Kosten in diesem Zeitraum auf knapp 900 Millionen Franken verdoppelt.
Optimum als Ziel
Gut investiertes Geld, bemerkt Florian Steinbacher, Leiter IV beim Bundesamt für Sozialversicherungen: Der Aufwand für die berufliche Wiedereingliederung von erkrankten Personen lohne sich für alle Beteiligten. Für die Versicherten, die wieder ein selbstbestimmtes und eigenständiges Leben führen könnten. Für die Versicherung, für die jede Wiedereingliederung ein grösserer Erfolg sei, und letztlich für die Gesellschaft generell.
Ziel ist laut Steinbacher nicht, dass möglichst jede Person wieder 100 Prozent arbeitet. In den meisten Fällen gebe es Mischlösungen – mit Teilpensen und Teilrenten. Es gebe aber auch klare Fälle, bei denen eine Rente der beste Weg sei, so die Verantwortlichen.
Mehr IV bei Jungen wegen psychischen Problemen
Trotz der Erfolge bei der beruflichen Eingliederung bleiben Herausforderungen: So nehmen bei der IV die Neuanmeldungen aufgrund von psychischen Erkrankungen vor allem bei jungen Menschen zu. Mit der Weiterentwicklung der IV 2022 richtet sich der Fokus vermehrt auf die Unterstützung von psychisch Erkrankten und Jugendlichen.
Auch Thomas Pfiffner spürt diese Entwicklung bei der Bündner IV-Stelle. Das Problem habe sich zwar verstärkt, neu sei es aber nicht. Bereits bei der Revision 2015 thematisiert, habe man sich auf die Situation vorbereiten können: «Wir haben das psychiatrische Know-how in der IV-Stelle in den letzten acht Jahren massiv hochgefahren. Wir arbeiten teils mit Betroffenen, die eine solche Krankheit hinter sich haben. Sie helfen uns, die Phänomene besser zu verstehen und damit umzugehen.»
Zeit und Geduld
Erfahrungen hätten gezeigt, dass es bei solchen Fällen vor allem Zeit und Geduld brauche, so Pfiffner: «Psychische Erkrankungen verlaufen oft wellenförmig, mit guten und schlechten Wochen. Mit dieser Instabilität des Verlaufs hat die IV vom Konstrukt her eher Mühe.» Die letzte Weiterentwicklung der IV habe aber bereits einige Verbesserungen gebracht. Für eine Bilanz über die IV bei der beruflichen Eingliederung von Personen mit psychischen Erkrankungen sei es aber noch zu früh.