Die Bagger sind bereits aufgefahren. Bäume sind gerodet und in Lastwagen abtransportiert worden, um den Windturbinen Platz zu machen. Für die Windkraftgegner von Sainte-Croix ist der Beginn der Bauarbeiten ein «Schock».
Dabei war er absehbar. Im Frühling hatte das Bundesgericht grünes Licht für den Windpark gegeben: Das nationale Interesse sei höher zu gewichten als die Umweltbedenken. Eigentlich markierte der Entscheid den Schlussstrich unter 20 Jahre der Planung, Debatten und Rekurse. Zweimal konnte das Stimmvolk über das Projekt befinden: 1999 wurde es abgelehnt, 2012 sagte die Bevölkerung knapp Ja. Die Ausgangslage für den Baustart wäre damit nicht nur juristisch, sondern auch demokratisch geklärt.
«Schäden» durch Windturbinen befürchtet
Doch der harte Kern der Windkraftgegner kämpft weiter. Jeden Samstagmorgen versammeln sie sich vor dem Kino Royal in Sainte-Croix. «Éoliennes non merci» steht auf ihren Transparenten – Windkraft, nein danke. Michel Bühler, ehemaliger Politiker und Musiker ist einer der führenden Köpfe. «Wenn man abwägt, ob die Windräder genug Strom produzieren, verglichen mit den Kosten, die auf uns zukommen, dann spricht das deutlich gegen die Windenergie», sagt er. Er und seine Mitstreiter fürchten um die Gesundheit der Menschen und um den Schutz der Flora und Fauna.
Schon bei Ankündigung des Baustarts kam es zu Demonstrationen. Später wurden anonym sogar Sabotage-Akte gegen die Baustelle verübt, sodass diese nun rund um die Uhr bewacht wird. Die Dachorganisation der Windkraftgegner «Paysage-Libre Vaud» (Freie Landschaft Waadt) distanzierte sich öffentlich von der Gewalt. Indessen sollte mit einer Initiative auf Gemeinde-Ebene eine neue Abstimmung erzwungen werden.
Nur: Obwohl rund 800 Personen die Initiative unterschrieben haben, ist diese rechtlich ungültig. Dies hatte der Kanton Waadt der Gemeinde Sainte-Croix mitgeteilt, denn es gelte übergeordnetes, kantonales Recht. Eine Abstimmung liege nicht in der Kompetenz der Gemeinde. Deshalb blieb auch dem Gemeindeparlament schliesslich nicht viel anderes übrig, als die Initiative abzuschreiben.
Im Zweifel fürs Volk – oder Demokratiedefizit?
Warum also wurde die Unterschriftensammlung überhaupt durchgeführt? Gemeindepräsident Cédric Roten erklärt: «Die Situation war zunächst unklar. Da gilt: im Zweifel für den Volksentscheid. Darum haben wir auch den Initianten in aller Transparenz gesagt: Es ist zwar möglich, Unterschriften zu sammeln, aber es gibt ein Risiko.»
Der von über 800 Wählern ausgedrückte Wille wurde prächtig ignoriert
Trotzdem: Die Initianten reden nach dem Ende ihrer Initiative von Demokratie-Verweigerung. «Der von über 800 Wählern ausgedrückte Wille wurde prächtig ignoriert», teilt Michel Bühler am Dienstag nach der Abschreibung der Initiative mit. Er ist der Meinung, die Bevölkerung müsse sich ein weiteres Mal zum Windparkprojekt äussern können. Die Situation sei eine andere als bei der letzten Abstimmung 2012.
Tatsächlich ist der Wind im Winter grundsätzlich stärker – genau dann, wenn es weniger Solar- und Wasserkraftproduktion gibt.
Zudem sei die Windenergie volatil und darum nicht – wie auch vom Bundesgericht ins Feld geführt – in der Lage, die Bedürfnisse des Marktes abzudecken. Der Energieversorger Romande Energie, der den Windpark baut, entgegnet auf Anfrage: «Tatsächlich ist der Wind im Winter grundsätzlich stärker – genau dann, wenn es weniger Solar- und Wasserkraftproduktion gibt.» Der Wind sei darum die «perfekte Ergänzung» zu anderen erneuerbaren Energiequellen.
Klar ist, bis auf Weiteres gibt es in Sainte-Croix keine neue Abstimmung zur Windenergie. Der Widerstand dagegen bleibt ein Kampf gegen Windräder.