Graubünden bangt um seine Wintersaison. Mit den aktuellen Restaurant-Schliessungen will man das Weihnachtsgeschäft retten. Über die Festtage treffen sich etwa im Nobelort St. Moritz die Superreichen aus aller Welt. Ob sie auch in diesem Jahr kommen? Der Gemeindepräsident von St. Moritz hofft auf eine gewisse «Normalität».
Es gibt kaum eine Zeit, in der so viele Leute im Engadin sind wie über Weihnachten und Neujahr. Normalerweise. Hoffen Sie nun, dass die Leute trotz Corona kommen oder zu Hause bleiben?
Ich hoffe immer auf einen Weg, eine positive Lösung. Es soll, sagen wir mal, «gemütlich» werden. Proppevoll wird es sowieso nicht, aber eine gewisse Normalität – unter Einhaltung der Regeln und mit Abstand – das wäre schön.
Über die Festtage hat es traditionell auch viele ausländische Stammgäste aus Deutschland oder Italien. In beiden Ländern gilt jedoch die Empfehlung, nicht zu reisen. Glauben Sie, diese Gäste kommen trotzdem?
Das hängt natürlich nicht nur von uns ab. Wir tun unser Bestes. Erstens, den Mini-Lockdown in Graubünden finde ich positiv. Es sendet das Zeichen: Man nimmt es ernst. Zweitens bietet das Engadin als erste Region Massentests an. So wollen wir verhindern, dass sich das Virus weiterverbreitet.
Das Engadin lebt von Stammgästen. Die entscheiden selbst, ob sie kommen.
Doch natürlich überlegt es sich der Italiener, der bei Rückkehr in die Quarantäne muss, zweimal, ob er kommt. Das ist nicht in unserer Macht. Das Planen ist momentan effektiv sehr schwierig. Wir werben aber auch nicht aktiv um ausländische Gäste. Das wäre zynisch. Das Engadin lebt von Stammgästen. Die entscheiden selbst, ob sie kommen oder nicht.
Im Frühling haben die Engadiner Gemeinden Zweitwohnungsbesitzer angeschrieben, sie sollen zu Hause bleiben und nicht kommen. Empfehlen Sie das nun erneut?
Nein. Wir haben nun auch viel mehr Erfahrung in und mit der Pandemie. Wir wissen nun auch eher, wer hier ist und können, falls nötig, direkt mit den Gästen in Kontakt treten. Wir haben auch einen ausgezeichneten Führungsstab, der die Lage im Griff hat.
Krisenmomente haben den Ort immer irgendwie weiter gebracht.
Bietet die Krise auch eine Chance für eine Imagekorrektur: Weg vom Ort für die Superreichen, hin zur Destination für Einheimische und Mittelständische?
Eine Chance ist es auf jeden Fall. Krisenmomente haben den Ort immer irgendwie weiter gebracht. Anzeichen, dass man sich etwas vom «alten Luxus» verabschiedet, gibt es jedoch schon lange. Unsere Touristiker sind viel flexibler geworden. Sie machen Dinge, Events, die lange nicht denkbar waren.
Heute fragen die jungen Leute, die kommen, zuerst nach der Steckdose für ihr Auto und von welchem Jäger in der Region das Reh auf dem Teller kommt. Gerade die Nachhaltigkeitsfrage wird extrem wichtig und könnte Chance sein, sich neu zu positionieren.
Wie schauen sie persönlich auf die Festtage?
Ich werde mit meiner Familie in einem St. Moritzer Hotel Ferien machen. Es besteht wohl gerade die einzige Chance im Leben, wo ich mir das leisten kann. Ich möchte aber auch erleben, wie sich das anfühlt, «mittendrin» zu sein in einem Hotel in dieser speziellen Zeit.
Das Gespräch führte Christina Scheidegger.