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Tempo 30: Luzerner Regierung will Debatte versachlichen
Aus Regionaljournal Zentralschweiz vom 09.07.2024. Bild: Shutterstock/Dreamer Achiever Nora Tarvus
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Zankapfel der Verkehrspolitik Fakten statt Vorurteile: Luzern will bei Tempo 30 Wogen glätten

Tempo 30 erhitzt in Luzern die Gemüter. Der Kanton will die vergiftete Debatte nun mit einem Planungsbericht abkühlen.

Will Luzern bei Tempo 30 Gas geben? Nein. Dass die Kantonsregierung nun einen Planungsbericht vorlegt, hat einen anderen Grund: Tempo 30 ist politisch ein heisses Eisen. «Die Auslegeordnung soll der Versachlichung dieses Themas dienen», sagt der Luzerner Baudirektor Fabian Peter. Der Planungsbericht zeige unter anderem auf, dass nationale Rechtsgrundlagen den Handlungsspielraum des Kantons rund um Tempo 30 stark begrenzen.

Gelbes Auto neben Zone 30-Strassenmarkierung.
Legende: Eine der wenigen Tempo-30-Zonen auf Luzerner Kantonsstrassen: die Bernstrasse in der Stadt Luzern. zvg/Kanton Luzern

Wie viele Tempo-30-Abschnitte gibt es in Luzern? Auf den insgesamt 180 Kilometer Kantonsstrassen muss das Tempo aktuell nur auf 1.5 Kilometern gedrosselt werden. Auf weiteren 3.6 Kilometern wurde Tempo 30 zwar positiv beurteilt, aber noch nicht umgesetzt. «Auch in Zukunft soll nur auf kurzen Abschnitten Tempo 30 gelten. Dort, wo es aus sicherheits- oder umwelttechnischen Gründen Sinn macht», sagt der Luzerner Baudirektor.

Tempo 30: Das ist die Bewilligungspraxis

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Der Planungbericht listet auch die Kriterien auf, welche für die Bewilligung von Tempo-30-Abschnitten eine Rolle spielen:

  1. Lärmbelastung am Tag
  2. Lärmbelastung in der Nacht
  3. Objektive Verkehrssicherheit (Unfälle in den letzten fünf Jahren)
  4. Subjektive Verkehrssicherheit (Fuss- und Veloverkehr)
  5. Reisezeitverlust des motorisierten Individualverkehrs
  6. Auswirkungen auf den öffentlichen Verkehr
  7. Funktion der Strasse
  8. Wohn- und Aufenthaltsqualität

Die Kriterien lehnen sich laut dem Kanton Luzern an die Methode des Bundes an und «sind somit in der Praxis erprobt».

Für die Gegnerschaft ist Tempo 30 ein unnötiger Bremsklotz – zurecht? Jein. Der Bericht des Kantons stellt diesem Vorurteil Fakten entgegen. Bei einer Geschwindigkeitsreduktion von 50 km/h auf 30 km/h verlängert sich die Reisezeit um fünf Sekunden pro 100 Meter. Aber: Gerade in der Rushhour kann eine Autofahrerin oder ein LKW-Lenker die Limite nicht voll ausschöpfen. «Damit sind die Reisezeitverluste tiefer als in der Theorie», heisst es im Bericht, der diese Aussage auch mit statistisch berechneten Beispielen untermauert.

Wie stark tangiert Tempo 30 den öV? Nur wenig. Unter anderem liess der Kanton analysieren, wie sich die Reisezeit bei vier Buslinien verändern würde. Das Resultat: Auf den bis 14 Kilometer langen Strecken durch mehrere Ortskerne mit Tempo 30 würde ein Bus maximal 40 Sekunden verlieren. «Zeitverluste in dieser Grössenordnung lassen sich, falls notwendig, mit Busbevorzugungen, Busspuren oder weiteren Betriebsoptimierungen kompensieren.» Bisher habe die Einführung von Tempo 30 auf verkehrsorientierten Strassen im Kanton Luzern «keine Auswirkungen auf den Busbetrieb» gehabt.

Weniger Lärm, weniger Unfälle

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Der Kanton Luzern hält in seinem Planungsbericht fest, dass gewisse Auswirkungen von Tempo 30 mehrheitlich unbestritten seien. Dazu gehört die Lärmabnahme. «Tempo 30 bildet eine wirkungsvolle Massnahme zur Lärmreduktion an der Quelle», heisst es im Bericht.

Weiter steigere Tempo 30 die Verkehrssicherheit. Die Zahl der Unfälle sinke – und auch die Schwere der Verletzungen nehme ab: «Die Wahrscheinlichkeit, als Fussgänger bei einer Kollision mit einem Fahrzeug zu sterben, sinkt bei Tempo 30 auf unter 10 Prozent. Bei Tempo 50 liegt sie bei rund 30 Prozent.»

Sorgt Tempo 30 für Schleichverkehr im Quartier? Das Planungswerk differenziert: Um Stau und stockenden Verkehr vermeiden zu können, würden Autofahrende Routen wählen, «auf denen sie – wenn auch langsamer – stetiger fahren können». Im Feierabendverkehr kann es also sein, dass gewisse Schlaumeier in Quartiere ausweichen. Dieses Risiko hänge aber «weniger stark von der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ab als vielmehr vom Verkehrsfluss auf dem übergeordneten Strassennetz». Sprich: Stockt es auf der Kantonsstrasse, gibt es Schleichverkehr – egal, ob auf der Kantonsstrasse 50 km/h oder 30 km/h gefahren werden kann.

Eine Tafel signalisiert Tempo 30, im Hintergrund unscharfe Gebäude.
Legende: Winterthur war 1990 laut dem Kanton Luzern die erste Stadt, die in einem Wohnquartier eine Tempo-30-Zone eingerichtet hat. (Symbolbild) Shutterstock/Michael Derrer Fuchs

Wie fallen die Reaktionen auf den Bericht aus? Der Verband der Luzerner Gemeinden zeigt sich zufrieden. «Der Bericht schafft Klarheit, wie mit offenen Gesuchen für Tempo 30 auf Ortsdurchfahrten umzugehen ist», sagt Vorstandsmitglied Maurus Frey. «Die Kriterien sind objektiv.» Von einem «guten Papier» spricht die Luzerner Sektion des Verkehrs-Clubs der Schweiz. Allerdings ärgert sich Präsident Michael Töngi über die «restriktiven Kriterien», die über eine Umsetzung entscheiden. Viele Projekte lägen derzeit auf Eis. «Hier muss der Kanton endlich vorwärtsmachen.» Gar nicht zufrieden ist dagegen Angela Lüthold, SVP-Kantonsrätin und Fraktionschefin der Luzerner SVP. Im «einseitigen Bericht» kämen die Argumente für Tempo 50 zu kurz. Etwa, dass Stop-and-Go den Verkehrsfluss behindere oder mehr Treibstoff brauche.

Fix Tempo 50 innerorts: Regierung lehnt SVP-Initiative ab

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Die Luzerner SVP hat die Volksinitiative «Tempo 50 auf Hauptverkehrsachsen innerorts» eingereicht. Diese verlangt, dass auf verkehrsorientierten Strassen innerorts die allgemeine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h beibehalten und begünstigt wird. Die Luzerner Regierung beantragt dem Kantonsrat eine Ablehnung der Initiative. «Auf verkehrsorientierten Strassen innerorts gilt schon heute eine Höchstgeschwindigkeit von Tempo 50», sagt Baudirektor Fabian Peter. «Davon abweichen kann man nur in Ausnahmefällen.» Denn dies sei im Bundesrecht geregelt. Daher sei es unnötig, einen zusätzlichen Passus ins Gesetz zu schreiben.

Regionaljournal Zentralschweiz, 09.07.2024, 06:31 Uhr ; 

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