Will Luzern bei Tempo 30 Gas geben? Nein. Dass die Kantonsregierung nun einen Planungsbericht vorlegt, hat einen anderen Grund: Tempo 30 ist politisch ein heisses Eisen. «Die Auslegeordnung soll der Versachlichung dieses Themas dienen», sagt der Luzerner Baudirektor Fabian Peter. Der Planungsbericht zeige unter anderem auf, dass nationale Rechtsgrundlagen den Handlungsspielraum des Kantons rund um Tempo 30 stark begrenzen.
Wie viele Tempo-30-Abschnitte gibt es in Luzern? Auf den insgesamt 180 Kilometer Kantonsstrassen muss das Tempo aktuell nur auf 1.5 Kilometern gedrosselt werden. Auf weiteren 3.6 Kilometern wurde Tempo 30 zwar positiv beurteilt, aber noch nicht umgesetzt. «Auch in Zukunft soll nur auf kurzen Abschnitten Tempo 30 gelten. Dort, wo es aus sicherheits- oder umwelttechnischen Gründen Sinn macht», sagt der Luzerner Baudirektor.
Für die Gegnerschaft ist Tempo 30 ein unnötiger Bremsklotz – zurecht? Jein. Der Bericht des Kantons stellt diesem Vorurteil Fakten entgegen. Bei einer Geschwindigkeitsreduktion von 50 km/h auf 30 km/h verlängert sich die Reisezeit um fünf Sekunden pro 100 Meter. Aber: Gerade in der Rushhour kann eine Autofahrerin oder ein LKW-Lenker die Limite nicht voll ausschöpfen. «Damit sind die Reisezeitverluste tiefer als in der Theorie», heisst es im Bericht, der diese Aussage auch mit statistisch berechneten Beispielen untermauert.
Wie stark tangiert Tempo 30 den öV? Nur wenig. Unter anderem liess der Kanton analysieren, wie sich die Reisezeit bei vier Buslinien verändern würde. Das Resultat: Auf den bis 14 Kilometer langen Strecken durch mehrere Ortskerne mit Tempo 30 würde ein Bus maximal 40 Sekunden verlieren. «Zeitverluste in dieser Grössenordnung lassen sich, falls notwendig, mit Busbevorzugungen, Busspuren oder weiteren Betriebsoptimierungen kompensieren.» Bisher habe die Einführung von Tempo 30 auf verkehrsorientierten Strassen im Kanton Luzern «keine Auswirkungen auf den Busbetrieb» gehabt.
Sorgt Tempo 30 für Schleichverkehr im Quartier? Das Planungswerk differenziert: Um Stau und stockenden Verkehr vermeiden zu können, würden Autofahrende Routen wählen, «auf denen sie – wenn auch langsamer – stetiger fahren können». Im Feierabendverkehr kann es also sein, dass gewisse Schlaumeier in Quartiere ausweichen. Dieses Risiko hänge aber «weniger stark von der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ab als vielmehr vom Verkehrsfluss auf dem übergeordneten Strassennetz». Sprich: Stockt es auf der Kantonsstrasse, gibt es Schleichverkehr – egal, ob auf der Kantonsstrasse 50 km/h oder 30 km/h gefahren werden kann.
Wie fallen die Reaktionen auf den Bericht aus? Der Verband der Luzerner Gemeinden zeigt sich zufrieden. «Der Bericht schafft Klarheit, wie mit offenen Gesuchen für Tempo 30 auf Ortsdurchfahrten umzugehen ist», sagt Vorstandsmitglied Maurus Frey. «Die Kriterien sind objektiv.» Von einem «guten Papier» spricht die Luzerner Sektion des Verkehrs-Clubs der Schweiz. Allerdings ärgert sich Präsident Michael Töngi über die «restriktiven Kriterien», die über eine Umsetzung entscheiden. Viele Projekte lägen derzeit auf Eis. «Hier muss der Kanton endlich vorwärtsmachen.» Gar nicht zufrieden ist dagegen Angela Lüthold, SVP-Kantonsrätin und Fraktionschefin der Luzerner SVP. Im «einseitigen Bericht» kämen die Argumente für Tempo 50 zu kurz. Etwa, dass Stop-and-Go den Verkehrsfluss behindere oder mehr Treibstoff brauche.