Vor 125 Jahren forderte Theodor Herzl am ersten Zionistenkongress in Basel die Schaffung eines jüdischen Staates. Erik Petry, Professor für jüdische Geschichte an der Universität Basel, schildert im Gespräch die Bedeutung des ersten Zionistenkongresses vor 125 Jahren.
SRF News: Warum hat der erste Zionistenkongress in Basel stattgefunden? Es wären auch andere Städte denkbar gewesen.
Erik Petry: Tatsächlich, Theodor Herzl hatte zuerst München ausgewählt. Doch die dortige jüdische Gemeinde hatte das abgelehnt. Denn der Zionismus galt damals auch als Bedrohung für die Assimilation. Es war dann der Zürcher Zionist David Farbstein, der Basel als Austragungsort empfohlen hat: Basel sei ein guter Ort dafür. Die Stadt sei weltoffen, verkehrstechnisch gut erschlossen - und es gebe ein gutes koscheres Restaurant.
Der Kongress vor 125 Jahren ist nicht die Geburtsstunde des Zionismus. Wann und weshalb ist die zionistische Bewegung entstanden?
Da muss man in der Geschichte weit zurückgehen. Einer der Pfeiler des Judentums ist der Messianismus. Es geht um den Glauben, dass der Messias das jüdische Volk zurück ins Land Israel führt.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde diese religiöse Idee auch mit weltlichen Vorstellungen zusammengebracht. Nämlich, dass die Jüdinnen und Juden diesen Wunsch auch aktiv umsetzen sollen.
Es war allerdings erst Herzl, der diesen Gedanken dann in das gegossen hat, was wir heute den politischen Zionismus nennen.
Herzl war eigentlich Journalist, Schriftsteller und Jurist. Wie ist er zum Zionismus gekommen?
Da spielte die Dreyfus Affäre in Paris eine wichtige Rolle. Damit erlebte Herzl in Frankreich einen Antisemitismus, den er zwar aus Deutschland, Österreich und Ungarn kannte, in Frankreich so aber nicht erwartet hatte.
Aus diesem Ereignis hat Herzl die Schlussfolgerung gezogen, dass die jüdische Bevölkerung keine Möglichkeit hat, in den europäischen Gesellschaften aufzugehen und anerkannt zu werden.
Der erste Kongress fand im Stadtcasino in Basel statt. War sich Herzl bewusst, wie bedeutsam dieser Anlass wird?
Wenn man sein Tagebuch liest, wird klar, dass Herzl grosse Zweifel hatte. Er konnte nicht abschätzen, was am ersten Kongress passieren würde. Es gab keine Anmeldelisten; es durfte kommen, wer wollte. Am Schluss schaffte es Herzl aber auch dank seines charismatischen Auftrittes, den Zionismus ins Rollen zu bringen.
Später folgten 22 weitere Zionistenkongresse, davon zehn in Basel – warum?
Basel hatte eine offene Stadtgesellschaft, man fühlte sich aufgenommen. Und das Stadtcasino galt als sehr repräsentativer Ort. Die Zionisten fühlten sich, wie wenn sie in einem Nationalparlament wären.
1948 wurde der Staat Israel gegründet. Seither bleibt der Konflikt mit den Palästinensern ungelöst. Waren sich die Zionisten bewusst, was sie mit der Staatsgründung von Israel auslösen?
Im Jahr 1897 blickte ganz Europa herabschauend auf die arabische Welt. Es war allen bewusst, dass auf dem heutigen Gebiet von Israel eine arabische Bevölkerung lebt.
Historisch gab es die Vorstellung, dass die arabische Bevölkerung unter dem Zionismus ein besseres Leben führen kann und darum wurde die Bewegung unterstützt. Herzl, aber auch Europa hatte nicht erahnt, dass sich auch in der arabischen Welt ein Nationalbewusstsein entwickelt.
1948 gab es dann allerdings bereits eine erste Konfliktsituation. Die UNO versuchte, Lösungen zu finden.
Das Gespräch führte Fabienne Nägeli.