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Das Tessin hat zu viel Landwirtschaftsland umgezont
Aus Echo der Zeit vom 12.07.2024. Bild: KEYSTONE/Ti-Press/Samuele Filippi
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Zu grosse Bauzonen Tessin: zu wenig Bevölkerungswachstum für so viel Bauland

Im Tessin wurde zu viel Bauland eingezont, findet das Bundesamt für Raumplanung (ARE). Allerdings sehen das nicht alle so.

Gianluca Padlina sitzt für die Mitte im Kantonsparlament und im Parlament der Stadt Mendrisio. Er schlägt Alarm. «Es ist eine Zeitbombe, weil wir gegen eine Wand laufen.» Das sind drastische Worte. Die aktuellen Berechnungen der Gemeinde Mendrisio zeigten, dass viel zu viel Landwirtschaftsland eingezont worden sei, nämlich dreimal mehr, als es das revidierte Raumplanungsgesetz des Bundes erlaube, sagt Padlina.

«Wenn sich das so bestätigen sollte, dann sollte die Gemeinde viele Parzellen zurückzonen. Das geht zulasten der Grundstückeigentümer einerseits. Anderseits könnte auch die Gemeinde verpflichtet werden, in die eigene Kasse zu greifen, um die Entschädigungen zu bezahlen.»

Ich rechne alleine in Mendrisio mit Entschädigungsforderungen von 65 Millionen Franken.
Autor: Gianluca Padlina Tessiner Mitte-Politiker

Wenn aus Bauland wieder Landwirtschaftsland werden soll, kann das für die betreffenden Eigentümerinnen und Eigentümer einen grossen finanziellen Verlust bedeuten, weil das Land an Wert verliert. Für den Staat kann es teuer werden, denn er muss diese Eigentümerinnen unterstützen. Der Kanton Tessin hat aktuell fünf Millionen Franken für solche Entschädigungen bereitgestellt. Dies sei ein Tropfen auf den heissen Stein, sagt Grossrat Padlina. Er rechnet alleine in Mendrisio mit Entschädigungsforderungen von 65 Millionen Franken.

Regierungsrat rechnet anders

Mendrisio ist kein Einzelfall. Bis im Herbst müssen alle Tessiner Gemeinden aufzeigen, ob sie die Anforderungen des Bundes erfüllen. Beim Kanton versucht man derzeit zu beruhigen. Man warte ab, bis die Gemeinden ihre Berechnungen abschlössen und entscheide dann, wie es weitergehe. Das sagt der Vorsteher des Tessiner Raumplanungsamtes, Regierungsrat Claudio Zali.

Wir haben jetzt noch etwas mehr Bauzonen, als wir brauchen. Das Problem wird sich im Laufe der Zeit mit dem Bevölkerungswachstum von selbst lösen.
Autor: Claudio Zali Regierungsrat, Vorsteher des Tessiner Raumplanungsamtes

Er gibt zu, dass in den 1980er- und 1990er-Jahren im Tessin zu viel Landwirtschaftsland eingezont wurde. Dann aber habe der Kanton die Bremse gezogen. «In den letzten Jahren wurde kein Bauland mehr eingezont. Wir haben jetzt noch etwas mehr Bauzonen, als wir brauchen. Das Problem wird sich im Laufe der Zeit mit dem Bevölkerungswachstum von selbst lösen. Ich sehe darum keinen grossen Handlungsbedarf. Ich habe eine andere Sicht als Bern.» Zali meint damit, dass Bern in seinen Berechnungen von einem kleineren Bevölkerungswachstum ausgehe als die Südschweiz.

Viele Einfamilienhäuschen von oben
Legende: Wie stark die Bevölkerung im Kanton Tessin wächst, ist umstritten. (Archivbild) Keystone/Gaetan Bally

Dementsprechend ist aus Sicht des Bundes der Handlungsbedarf in der Südschweiz viel dringender. In Bern, beim zuständigen Bundesamt für Raumentwicklung ARE, weiss die Leiterin Sektion Richtplanung, Claudia Guggisberg, um die politische Brisanz des Themas. «Die Bauzonen im Kanton sind zu gross. Er muss hier etwas tun. Der Kanton war bei der Genehmigung bei 95.6 Prozent Auslastung. Das Ziel, das jetzt möglichst schnell erreicht werden muss, sind 100 Prozent.»

Keine Ausnahmeregelungen fürs Tessin

Liegt die Auslastung unter 100 Prozent, sind die Bauzonen kantonsweit zu gross. Die bestehenden Bauzonen können darum nicht wie vorgeschrieben zu 100 Prozent ausgenutzt werden.

Der Kanton ist gut beraten, hier mit klaren Vorgaben für seine Gemeinden vorwärtszumachen.
Autor: Claudia Guggisberg Leiterin Sektion Richtplanung ARE

Der Kanton Tessin muss das Problem anpacken. Handlungsspielraum gibt es allenfalls beim Zeitplan. Aber auch hier macht Bern klar: Das Problem zu verdrängen, ist eine schlechte Idee. «Je weiter diese Entwicklung fortschreitet, auch die Zersiedelung, umso grösser wird dann der Korrekturbedarf und umso unangenehmer wird es. Der Kanton ist gut beraten, hier mit klaren Vorgaben für seine Gemeinden vorwärtszumachen.»

Bern scheint nicht zulassen zu wollen, dass die Südschweiz punkto Landschaftsschutz ein Extrazüglein fährt.

Echo der Zeit, 12.07.2024, 18 Uhr

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