Es war als Massnahme gegen Vorurteile und Diskriminierungen gedacht. Bei Bewerbungen für eine Stelle bei der Stadt Zürich sollten Namen, Alter, Herkunft, Geschlecht, Zivilstand oder Aussehen von Kandidatinnen und Kandidaten keine Rolle spielen. Das Stadtzürcher Parlament erteilte der Stadt vor eineinhalb Jahren den Auftrag, solch anonymisierte Bewerbungen zu testen. So weit kommt es nun aber nicht.
Das Stadtzürcher Finanzdepartement, das sich mit anonymisierten Bewerbungen befassen sollte, bestätigt gegenüber SRF, dass das Projekt nicht gestartet wird. Dafür gäbe es mehrere Gründe, sagt Sprecherin Claudia Nägeli. «Unsere aktuelle Software lässt eine komplette Anonymisierung der Dossiers nicht zu. Das heisst: Wir müssten eine neue Software kaufen und das wäre mit enormen Kosten verbunden.»
Schulungen statt teure Internetprogramme
Weiter habe ein solches Verfahren auch Konsequenzen für die Personalabteilungen und die Bewerberinnen. «Eine anonyme E-Mail-Adresse aufsetzen, die kompletten Unterlagen manuell schwärzen. Das alles ist mit einem enormen Aufwand verbunden und verzögert den Bewerbungsprozess», sagt Nägeli weiter. Und in Zeiten des Fachkräftemangels sei dies für die Stadt Zürich ein Nachteil der in der Personalrekrutierung.
Und trotzdem: Der Stadt Zürich sei es ein Anliegen, gegen Diskriminierung vorzugehen, betont Nägeli. Sie geht deshalb nun einen anderen Weg und will prüfen, mit welchen Tools und Schulungen Vorurteile im gesamten Bewerbungsprozess, inklusive Vorstellungsgespräch, abgebaut werden können.
Lanciert wurde das Anliegen der anonymisierten Bewerbungen unter anderem vom Stadtzürcher FDP-Präsidenten Përparim Avdili, er engagiert sich auch beim Verein Secondas Zürich. Für ihn ist das Vorgehen der Stadt Zürich enttäuschend. «Warum ein solches Projekt ausgerechnet in der Stadt Zürich, die sonst ja sehr gerne ihre Vorbildfunktion wahrnimmt, nicht umgesetzt wird, bleibt mir ein Rätsel», sagt er. Viele Firmen würden bereits sehr erfolgreich mit diesem Verfahren umgehen.
Das Gefühl kann täuschen
Sensibilisierungsmassnahmen wie Schulungen würden hier nicht ausreichen, fügt Avdili an. Eine Studie der Universität Neuenburg hat gezeigt, dass Menschen mit ausländischem Namen etwa 30 Prozent mehr Bewerbungen verschicken müssen, bis sie eine Einladung erhalten. Und mit einem anonymisierten Bewerbungsverfahren, so Avdili, sei garantiert, dass Entscheidungsträger nicht durch ihre Gefühle fehlgeleitet würden, sondern die geeignetsten Kandidaten anstellten.
Avdili will nun prüfen, ob er weitere, politische Schritte einleiten soll, um anonyme Bewerbungen in der Zürcher Stadtverwaltung durchzusetzen. Auch der Kanton Zürich unterzieht das Verfahren aktuell einer Prüfung, im Justizdepartement läuft derzeit ein Projekt im Bereich Justizvollzug. Eine Umsetzung zeichnet sich aber auch dort noch nicht ab. Auf Anfrage heisst es: Sowohl eine IT-unterstützte als auch eine manuelle Lösung hätten erhebliche Kosten zur Folge.