Vor zwei Jahren hat das Stimmvolk die Pflegeinitiative angenommen. Die Hoffnung war gross. Es sollte alles besser werden. Doch umgesetzt wurde die Volksinitiative bis heute nicht. Die Gesundheitsbranche kämpft auch zwei Jahre nach Annahme mit einem Fachkräftemangel.
Viele Menschen, die in der Pflege arbeiten, sind enttäuscht. Einer von ihnen ist Martin Venetz. Er ist im Vorstand der Schweizerischen Interessengemeinschaft für Anästhesiepflege. Venetz findet, so langsam müsse etwas passieren: «Viele Leute in meinem Arbeitsumfeld sind frustriert. Oder sie glauben schon gar nicht mehr an eine konsequente Umsetzung.»
Diese Ungeduld ist aus Sicht der Initiantinnen und Initianten laut Politologe Marc Bühlmann begründet. «Sie hätten gerne, dass die Initiative schon mit dem Ja an der Urne gleich umgesetzt ist. Nur sieht unser System längere Wege vor.»
Denn eine Initiative sei ein Anstoss oder der Motor für die Politikgestaltung, sagt Bühlmann vom Institut für Politikwissenschaften an der Universität Bern. «Es braucht eine gesetzgeberische Konkretisierung. Dafür ist das Parlament zuständig. Und im Parlament muss man wieder neue Kompromisse schmieden, um dann die Idee der Initiative auch umzusetzen.»
Wie schnell eine Initiative umgesetzt wird, hängt auch damit zusammen, wie einfach ein Anliegen in der Praxis umgesetzt werden kann. Und ob es starke Gegnerinnen und Gegner der Initiative gibt, die versuchen, diese in der Umsetzung zu schwächen.
Für die Umsetzung von Initiativen gibt es keine zeitlichen Regeln. «Man muss ganz lange wieder neue Koalitionen und Allianzen suchen, um etwas umzusetzen. Das geht in der Schweiz relativ lange.» Für die Gegnerinnen sei das schleppende System ein Vorteil, so Bühlmann, denn die Gegenargumente würden erneut angehört und fliessen in einen Kompromiss ein.
Gegenvorschlag als Booster
Anliegen könnten jedoch schneller umgesetzt werden, auch in diesem Fall. Stichwort: Gegenvorschlag.«Wenn man möchte, dass eine Idee schnell umgesetzt wird, dann tut man als Initiantin und Initiant besser daran, auf den Gegenvorschlag einzugehen.»
In der Diskussion zur Umsetzung der Pflegeinitiative stützt man sich ziemlich stark auf diesen indirekten Gegenvorschlag. Aus Sicht der Initiierenden war es jedoch kein Fehler, dass sie die Initiative nicht zurückgezogen haben: «Das Ja an der Urne was symbolisch wichtig», sagt der Politologe.
Auch Anästhesiepfleger Martin Venetz bereut das Festhalten an der Initiative nicht: «Mit dem Gegenvorschlag wäre so gut wie ‹nur› die Ausbildungsoffensive gefördert worden.» Und hätte man mehr Leute ausgebildet, ohne die Bedingungen zu verbessern, wären weiter viele Leute aus dem Beruf ausgetreten, so Venetz.
Es werden wohl noch Jahre vergehen
Eine klare Prognose dazu, wie lange es noch dauert, bis die Pflegeinitiative tatsächlich umgesetzt wird, ist laut Marc Bühlmann schwierig. Doch die Unterstützung in der Bevölkerung, von verschiedenen Akteuren und aus fast allen Parteien sei gross. «Ich gehe davon aus, dass hier nicht mehr sehr grosser Widerstand besteht.» Er rechnet mit keinem Referendum gegen die Umsetzung.
Doch die Umsetzung sei eben nicht nur das Gesetz. Kantone und alle Akteurinnen müssen sich dann auch daran halten. Und das wird wohl noch einige Jahre dauern.