Neue Zahlen zeigen: Der Fachkräftemangel hat sich nochmals verschärft und erreicht in der Schweiz einen neuen Höchststand. Trotz der aktuellen wirtschaftlichen Abschwächung ist er im Vorjahresvergleich um 24 Prozent gestiegen.
Hier erfahren Sie:
- Wie stark Ihre Berufsgruppe in Ihrer Region auf dem Schweizer Arbeitsmarkt nachgefragt ist.
- Welche Berufsgruppen den grössten Mangel haben.
- Wie der demografische Wandel den Fachkräftemangel verschärft.
Der Fachkräftemangel wird die Arbeitgeber auch in den nächsten Jahren beschäftigen. Ein Grund dafür: In den kommenden Jahren werden mehr Personen pensioniert, als neu in den Arbeitsmarkt eintreten.
Der Anteil der arbeitenden Bevölkerung schrumpft:
Am dringendsten sind Spezialisten und Spezialistinnen in Gesundheitsberufen gesucht, wie der Fachkräftemangel-Index des Personaldienstleisters Adecco und des Stellenmarkt-Monitors Schweiz der Universität Zürich zeigt. Ärztinnen also, aber auch Pflegefachkräfte und Apotheker. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich der Mangel an Gesundheitsspezialistinnen nochmals zugespitzt.
Doppelte Belastung für Gesundheitsberufe
«Der Mangel ist dramatisch, für Patientinnen und für Pflegende», sagt Yvonne Ribi vom Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner. Der demografische Wandel sei die Hauptursache für die aktuelle Entwicklung.
Das Gesundheitswesen leidet gleich doppelt unter der Alterung der Schweiz: Erstens schrumpft der Pool an potenziellem Personal, und zweitens steigt die Arbeit, weil ältere Menschen häufiger zur Ärztin müssen oder auf Pflege angewiesen sind.
Besonders gross ist der Druck in der Grundversorgung, wie Yvonne Gilli, Präsidentin der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH), gegenüber SRF News mitteilt: «Rund ein Drittel der Hausärztinnen und -ärzte hat das Pensionsalter erreicht oder wird das Pensionsalter in den nächsten fünf Jahren erreichen.»
Zudem brauche es mehr als einen jungen Arzt, um eine pensionierte Hausärztin zu ersetzen: «Das durchschnittliche Arbeitspensum dieser Generation liegt knapp 15 Prozent höher als dasjenige von jüngeren Ärztinnen und Ärzten, wobei die Pensen der Ärzteschaft generationenübergreifend deutlich über der wöchentlichen Normalarbeitszeit liegen.»
Grosser Mangel in technischen Berufen
Weiterhin sind Informatikerinnen und Ingenieure stark gesucht, wobei sich die Situation in den IT-Berufen im Vergleich zu 2022 leicht entspannt hat. Generell haben Spezialisten im technischen Bereich gute Ausgangsbedingungen bei ihrer Jobsuche: Auch Polymechanikerinnen, Mathematiker, Elektrikerinnen oder Finanz- und Betriebswirtschaftspezialisten finden mehr Angebote, als sie Konkurrenten haben.
Einige dieser stark gesuchten Berufe findet man auch auf dem Bau. So zum Beispiel Bauführerinnen oder Poliere. Auch hier spielt der demografische Wandel mit: Das Baustellenpersonal ist deutlich älter als der Durchschnitt der Erwerbstätigen in der Schweiz.
Kommt hinzu, dass man auf dem Bau schon ab 60 Jahren in die Rente gehen kann – die Babyboomer werden hier also schon fünf Jahre früher pensioniert.
Betroffen seien mit Baupolieren, Bauführern und Maurern vor allem das jetzige Kader und der hauptsächliche Rekrutierungspool für das künftige Kader, so Matthias Engel vom Schweizerischen Baumeisterverband. «Die Situation wird in den nächsten 10 bis 20 Jahren nicht einfacher, liegt doch der Anteil der über 50-Jährigen in der Bauwirtschaft derzeit bei rund 40 Prozent. Und mit den Pensionierungen der Generation der Babyboomer werden gefragte Fachkräfte in Rente gehen.»
Fachkräfteüberschuss geht zurück
In einigen Berufsgruppen gibt es nicht zu wenige, sondern zu viele Stellensuchende. Etwa im sozialwissenschaftlichen und kulturellen Bereich herrscht ein Überangebot an Fachkräften. Dazu gehören Juristinnen, Museumswissenschaftler, Sozialarbeiterinnen, Seelsorger, Berufssportlerinnen oder Journalisten. Sekretariatskräfte suchen ebenfalls nach mehr Jobs, als es freie Stellen gibt.
Am grössten ist der Fachkräfteüberschuss bei den Führungskräften. Allerdings ist diese Berufskategorie sehr breit definiert, um statistisch aussagekräftig zu sein. So umfasst sie beispielsweise Geschäftsführerinnen, Hüttenwarte sowie Galeristinnen, wie der Stellenmarkt-Monitor der Uni Zürich erklärt. Zudem werden viele Kaderpositionen gar nicht ausgeschrieben, sondern laufen über Netzwerke oder Direktansprachen.
Was wir heute auf dem Schweizer Arbeitsmarkt erleben, ist ein eigentlicher Arbeitskräftemangel und kein Fachkräftemangel mehr.
Insgesamt verzeichnen die Berufsgruppen in der unteren Hälfte des Rankings eine stark positive Entwicklung. «Was wir heute auf dem Schweizer Arbeitsmarkt erleben, ist ein eigentlicher Arbeitskräftemangel und kein Fachkräftemangel mehr. Auch in Berufsgruppen, in denen kein akuter Fachkräftemangel herrscht, wird es immer schwieriger, neue Mitarbeitende zu rekrutieren» sagt Martin Meyer, Leiter Adecco Schweiz.
Die Stellensuche wird so auch für die schlechter platzierten Berufe einfacher: Die Anzahl ausgeschriebener Stellen pro stellensuchende Arbeitskraft nimmt zu.