Eine Studie zeigt: Zu wenig Arbeitskräfte – auch aufgrund vieler Ausfälle aus psychischen Gründen – ist aktuell die grösste Herausforderung der kleinen und mittleren Unternehmen in der Schweiz, der KMU. Und das Problem dürfte sich noch verschärfen. Das zeigt eine Studie vom Forschungsinstitut Sotomo im Auftrag der Axa Versicherungen. Studienautor Michael Hermann erklärt die Ergebnisse.
SRF News: Wieso kommt es in KMU vermehrt zu Ausfällen aufgrund psychischer Belastung?
Michael Hermann: Das hat einen direkten Zusammenhang zum Arbeitskräftemangel. Wenn man Leute in der Firma nicht ersetzen kann, steigt die Belastung für die bisherige Belegschaft und die steht zusätzlich unter Druck. Gerade für kleine KMU ist es nicht selten eine Herausforderung, dass eine Fluktuation bedeutet, dass sehr viel Wissen weggeht. Es muss dann von den anderen getragen werden.
Das ist die Axa-KMU-Arbeitsmarktstudie, erhoben von Sotomo.
Weshalb geraten die KMU in diesen Teufelskreis?
Mit der Coronapandemie sind psychische Belastungen in der Arbeitswelt vermehrt zum Thema geworden. Ausfälle wegen psychischer Belastung bedeuten, dass die anderen einspringen müssen, weil diese Mitarbeiter nicht einfach ersetzt werden. Man wartet darauf, dass sie zurückkommen. Das kann eine Art Teufelskreis in Gang setzen, sodass es schlimmer wird, weil die Belastung der anderen grösser wird. Auffällig ist, dass viele kleine KMU zum Beispiel keine Mitarbeiter- oder Mitarbeiterinnengespräche eingeplant haben. Das wäre aber eine Möglichkeit, frühzeitig zu erkennen, wie belastet die Mitarbeitenden sind.
Laut der Studie hätten die KMU am liebsten, wenn sie ältere Mitarbeitende über das Pensionsalter hinaus beschäftigen könnten oder aber sie setzen auf ausländische Arbeitskräfte. Das Potenzial bei weiblichen Arbeitskräften schöpfen sie hingegen nicht aus. Wieso?
Zunächst ist auffällig: Drei Viertel der KMU würden ihre älteren Arbeitskräfte gerne länger beschäftigen. Lange sprach man darüber, dass die nicht mehr beschäftigt werden. Doch dieses Potenzial hat man entdeckt und erkannt.
Es braucht eine langfristige Investition, um das Potenzial der weiblichen Arbeitskräfte wirklich auszuschöpfen.
Eine andere Möglichkeit wäre, das Arbeitskräftepotenzial der weiblichen Mitarbeitenden zu stärken. Aber dazu braucht es strukturelle Anpassungen. Und da sind die KMU, gerade die kleinen, etwas zurückhaltend. Das hat wohl auch damit zu tun, dass sich in diesen Sektoren, die besonders unter dem Arbeitskräftemangel leiden, wenig Frauen melden. Es braucht eine langfristige Investition, um dieses Potenzial wirklich auszuschöpfen. Als dritte Möglichkeit ist man versucht, Leute anzustellen, die aus dem Ausland kommen. Das ist letztlich fast das Einfachste. Doch es ist in der Schweiz zu einem politischen Thema geworden, gerade auch im Vorfeld der Wahlen im Herbst.
Man muss sich bewusst sein, dass die KMU einen akuten Arbeitskräftemangel haben.
Es scheint, dass die KMU den Weg des geringsten Widerstands gehen wollen und dass nur wenige Massnahmen ergreifen, damit Frauen höhere Pensen übernehmen. Wie erklären Sie das?
Man muss sich bewusst sein, dass die KMU einen akuten Arbeitskräftemangel haben. Sie müssen daher Massnahmen ergreifen, die schnell wirken. Diese Investitionen in weibliches Arbeitskräftepotenzial brauchen mehr Zeit, und diese Zeit haben sie nicht. Aber es ist ein Problem, wenn man nicht langfristig denkt. Da braucht es wirklich Unterstützung von der Politik.
Das Gespräch führte Can Külahcigil.