Ab Montag gilt die Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr. Monatelang hatte der Bundesrat mit sich gerungen und die heisse Kartoffel zwischenzeitlich an die Kantone weitergegeben. Für die Wissenschaftler, die den Bundesrat in Sachen Corona beraten, war aber schon länger klar: es braucht eine Maskenpflicht.
Einer von ihnen ist der Epidemiologe Marcel Salathé. Dass die Maskenfrage erst jetzt geklärt ist, erklärt das Mitglied Covid-19-Taskforce des Bundes auch mit «gewissen Kommunikationsschwierigkeiten». Und räumt ein: «Es hatte sicher auch damit zu tun, dass es am Anfang schlichtweg nicht genug Masken gab.»
Der Bundesrat reagiert mit der Maskenpflicht auf die zuletzt gestiegenen Fallzahlen. Salathé begrüsst das Machtwort des Bundesrates. Die Lockerungen der letzten Wochen seien angezeigt und von allen Seiten erwünscht gewesen. «Es war aber zu erwarten, dass man einen Punkt erreicht, an dem das Virus sagt: ‹Bis hierhin und nicht weiter.»
Nun gelte es, eine Balance zu finden. Die gesamte Gesellschaft müsse lernen, mit dem Virus zu leben; auch Wissenschaft und Politik befänden sich in einem Lernprozess. «Niemand hat Interesse, immer wieder alles herunterzufahren.»
Mit jeder Lockerung zeige sich aber, wie weit man gehen könne, ohne den nächsten grossen Ausbruch zu provozieren. Die Maskenpflicht im ÖV hält der Professor an der ETH Lausanne für eine Etappe in diesem Lernprozess.
Wer mit dem ÖV reist, hat künftig eine Maske dabei. Also kann er oder sie diese auch gleich im Laden tragen.
Zuletzt dominierten Ansteckungsherde in Clubs die Schlagzeilen. Im Gedränge und Getöse scheint sich das Virus besonders wohl zu fühlen. «Jeder, der schon einmal in einem Club war, weiss, dass Abstandhalten dort nicht möglich ist», sagt Salathé dazu.
Wie hoch die Ansteckungsgefahr in der eher gesetzten Atmosphäre im ÖV ist, ist schwieriger zu beurteilen. «Wir wissen noch zu wenig darüber, ob es viele Übertragungen im ÖV gibt oder nicht», sagt der Epidemiologe. Die wissenschaftliche Evidenz, dass Masken zur Eindämmung des Virus beitragen würden, sei aber mittlerweile stark.
Die Vereinigung der Schweizer Kantonsärztinnen und -ärzte fordert nun sogar eine generelle Maskenpflicht. Die Taskforce des Bundes empfiehlt das Maskentragen dagegen nur. Und zwar generell dort, wo Abstandhalten nicht möglich ist – etwa beim Einkaufen.
Die Zurückhaltung der Taskforce in der Frage sei naturgegeben, erklärt Salathé. Denn sie hat nur beratende Funktion für den Bundesrat. «Wir fordern nicht, wir empfehlen.» Verpflichtende Massnahmen zu ergreifen, sei eine politische Entscheidung.
Salathé geht aber davon aus, dass sich die Maske mit der ÖV-Tragepflicht auch im öffentlichen Raum durchsetzen wird. «Wer mit dem ÖV reist, hat künftig eine Maske dabei. Also kann er oder sie diese auch gleich im Laden tragen.» Salathé hofft denn auch, dass eine generelle Maskenpflicht nicht nötig wird.
Wenig überraschend hält Salathé das Tragen einer Maske auch in Clubs für sinnvoll. «Ob sich das auch die Clubbetreiber wünschen, ist natürlich eine andere Frage.» Doch auch dies sei letztlich eine politische Frage. Die epidemiologische Antwort sei aber klar: «Es würde etwas bringen.»