Auf den ersten Blick geht die Autobranche nach der gewonnenen Abstimmung über das CO2-Gesetz am Sonntag als Siegerin vom Platz. Auf den zweiten Blick hingegen hat sie sich mit dem Erfolg an der Urne gleich mehrere Herausforderungen eingebrockt.
Die Gräben werden tiefer
Das Abstimmungsresultat vergrössert die bereits bestehenden Gräben innerhalb der Branche: Vor allem Auto-Schweiz, der Verband der Autoimporteure, der das Gesetz mit grosser Vehemenz bekämpft hat, gerät unter Zugzwang.
Viele der angeschlossenen Hersteller, wie zum Beispiel Volkswagen, haben sich inzwischen – wenn auch nach langem Zögern – zur Elektromobilität bekannt. Sie haben folglich ein Interesse daran, dass sich ihre neuen Fahrzeuge so rasch wie möglich am Markt durchsetzen.
Und die Verkaufszahlen zeigen, dass die Schweizer Bevölkerung durchaus bereit ist, solche Autos zu kaufen. Der Verband muss sich also fragen, für wessen Interessen er sich stark macht, wenn er von seinen Mitgliedern rechts und links überholt wird.
Bezeichnend ist, dass jene Hersteller, die schon heute vollständig auf Elektroautos setzen, erst gar nicht Mitglied in dem Verband sind – allen voran der amerikanische Branchenprimus Tesla.
Auf Worte müssen Taten folgen
Gleichzeitig hat sich der Verband mit dem Sieg auch ein Glaubwürdigkeitsproblem aufgehalst. Er verspricht nach dem Abstimmungserfolg zwar eine «gute Lösung». Wie eine solche Lösung allerdings konkret aussehen könnte, vermag er nur nebulös zu skizzieren. Einfach mehr Ladeinfrastruktur zu fordern, scheint etwas gar simpel.
Das versenkte CO2-Gesetz mag diesbezüglich in der Tat nicht die beste Lösung für die Branche gewesen sein, es hätte aber zumindest Förderanreize und -gelder für just das so dringend benötigte Ladenetz vorgesehen.
Planungsunsicherheit nach Abfuhr
Da stellt sich schon die Frage, ob sich Auto-Schweiz nicht besser bei der Ausarbeitung des Gesetzes mehr ins Zeug gelegt hätte, als nun wieder zurück auf Feld Eins zu gehen. Eine gute Ladeinfrastruktur ist ein zentraler Faktor, um der E-Mobilität weiteren Schwung zu verleihen, damit der Verkehr seine Klimaziele erreicht. Gleichzeitig sorgt das Nein für Planungsunsicherheit.
Die hiesige Wirtschaft – insbesondere das Gewerbe – hätte für die weiteren Jahre einen Planungshorizont bekommen; beispielsweise die Elektroinstallateure von Ladeinfrastruktur. Gerade in den jetzigen Zeiten wäre das ein willkommenes Signal gewesen. Mit dem Abstimmungssieg hat ein Teil der Branche also auch die Verantwortung für viele offene Fragen übernommen. Man darf gespannt sein, ob, wann und welche Resultate folgen.