Es ist ein historischer Entscheid, den die Zunft zur Meisen letzten November fällt. Bei ihr sollen am Sechseläuten-Umzug neu auch Frauen mitlaufen dürfen. Ausserdem sollen sie auch an allen übrigen Zunftanlässen dabei sein. Das hat bis jetzt noch keine andere Zunft erlaubt. Die Neuerung ist umstritten, Frauen und Zünfte – das ist in Zürich ein heikles Thema.
Frauen als Pilotprojekt
Zum Beispiel die Gesellschaft zu Fraumünster: Es dauerte Jahre, bis die Organisation, die sich als Vertreterin der Frauen sieht, beim Sechseläuten mitlaufen durfte. Bis heute beteiligt sich die Frauengesellschaft nicht an den übrigen Zunft-Aktivitäten. Die Männer bleiben stets unter sich. Erst mit dem Entscheid der Meisen-Zunft wird sich das ändern – es ist die eigentliche Revolution: Denn das Privileg unter sich zu sein, haben die Männer bis jetzt stets verteidigt.
Wir werden junge Damen auf den Zunftstuben haben.
So ist die Öffnung der Zunft zur Meisen eine sehr vorsichtige. Nebst den Söhnen der Zünfter dürfen neu auch Töchter an den Zunftanlässen teilnehmen. Mitglieder sind sie deshalb noch lange nicht. «Das ist jetzt erst mal ein Probelauf», sagt Zunftmeister Gustav von Schulthess. «Wir werden junge Damen auf unseren Zunftstuben haben und sehen, wie sie sich ins Zunftleben integrieren.» Erst nach zwei bis fünf Jahren will die Zunft zur Meisen darüber abstimmen, ob Frauen auch Zünfterinnen sein dürfen.
Die Vorsicht, das Abwägen, der lange Prozess – das alles scheint die potenziellen zukünftigen Zünfterinnen nicht zu stören. Im Gegenteil. Sie betonen, dass von ihnen keinerlei Druck ausgegangen sei. «Es freut uns einfach sehr, dass es jetzt geklappt hat und wir dabei sein dürfen», sagt Catharina Peyer in ihrer Wehntalertracht. Sie ist schon als Kind mitgelaufen und freut sich, dass sie eine aktive Rolle in der Zunft übernehmen kann.
Es ist sehr schön, jetzt auch eine aktive Rolle in der Zunft einnehmen zu können.
Sie hätten nicht darauf hingearbeitet, sagt auch eine weitere Zünftertochter, Julia Stehli. Die Initiative sei von den Männern ausgegangen. Bei der Abstimmung stimmten schliesslich drei Viertel der Zünfter für die Öffnung. Für sie und ihre Freundinnen in der Zunft sei heute ein grosser Moment. «Ich bin in die Zunft hineingeboren und stets dabei gewesen. Dass wir jetzt auch noch am Zunftleben teilnehmen dürfen – das ist ein sehr schöner Tag.»
Dass nur ihre Brüder mitmachen durften, habe sie nie hinterfragt. «Die Mutter ist nicht mitgelaufen, die älteren Schwestern nicht, als Mädchen hinterfragt man das nicht.» Plötzlich hiess es dann: «Ab diesem Jahr läufst du nicht mehr mit, du verteilst Blumen am Strassenrand.» Auch diese Seite habe sie aber als bereichernd empfunden.
Wir haben die Tradition nicht hinterfragt.
Trotz der Öffnung der Zunft zur Meisen bleiben die Zürcher Zünfte weitgehend in Männerhand. Noch hat keine andere Zunft ähnliche Absichten kommuniziert. Die Zunft Höngg befand erst kürzlich, «die Zeit sei noch nicht reif», um Frauen aufzunehmen. In anderen Kantonen wie Bern oder Basel sind die Zünfte zwar einen Schritt weiter, Frauen können sich als Zünfterinnen bewerben. Doch auch dort gibt es Widerstand. Historikerin Birgit Stalder sieht verschiedene Gründe dafür: «Zünfte sind traditionell Orte für Männer. Zweitens suchen Männer in Zeiten der Gleichberechtigung Orte, in denen sie unter ihresgleichen sind. Also Männerorte für die Geselligkeit.»
Männer suchen in Zeiten der Gleichberechtigung Orte, an denen sie unter ihresgleichen sind.
Drittens glaubt Birgit Stalder auch, dass Frauen nicht unbedingt das grösste Interesse haben, einer Zunft beizutreten. Ob sich das ausgerechnet in Zürich ändern wird, werden die nächsten Jahre zeigen.