Gut 20 Wochen nach Amtsantritt stellt sich Postchef Roberto Cirillo den Medien und skizziert seine Zukunftspläne. Potenzial sieht er vor allem im Ausbau der Logistik. Die Grundversorgung will er auch in Zukunft ohne Steuergelder finanzieren.
SRF: Bei Ihrem Amtsantritt haben Sie gesagt, Sie möchten zuerst die Gene der Post kennenlernen. Jetzt haben Sie 20 Wochen Zeit gehabt. Was haben Sie für eine Post kennengelernt?
Roberto Cirillo: Eine zuverlässige, innovative Post mit viel Talent, die bereit ist, in die Zukunft zu gehen.
Aber Sie haben auch einige Baustellen übernommen. Zum Beispiel den Postautoskandal. Die Post hat damit sehr viel Vertrauen verloren.
Jedes Postauto ist pünktlich und zuverlässig angekommen. Letztes Jahr wie dieses Jahr. Diese operative Leistung erbringen wir jeden Tag. Wir sorgen dafür, dass die Bevölkerung die Dienstleistung kriegt, die sie braucht. Und wir arbeiten an der Transparenz, indem wir zum Beispiel die Postauto-Gesellschaft in eine Einzelgesellschaft gebracht haben, damit wir die Strukturen klarer unter Kontrolle haben. Wir haben auch die Ziele angepasst, sodass klar ist, in welche Richtung Postauto sich entwickeln muss.
Eine andere grosse Baustelle ist das Poststellen-Netz. Das möchte die Post schon länger verkleinern.
Die Anzahl der Poststellen, die eigenbetrieben sind, ist fix bis 2020. Wie sich diese Zahl danach entwickeln wird, ist Teil der Strategie, die wir gerade entwickeln.
Postfinance darf weder Kredite noch Hypotheken vergeben. Wir arbeiten daran, dass wir dieses Verbot aufgehoben kriegen.
Bis jetzt hat die Post sehr stark profitiert von der Postfinance, die sehr viel Geld in Form von Dividenden wieder in das Geschäft hat einfliessen lassen. Mit den Negativzinsen fällt das weg. Können Sie das kompensieren?
Es geht nicht um eine Kompensation. Man kann das nicht kompensieren – wegen des Geschäftsmodells der Postfinance, die keine Kredite und Hypotheken vergeben kann. Das ist in den Händen des Parlaments. Und daran arbeiten wir. Damit wir dieses Verbot aufgehoben kriegen. Aber wir können mit den nötigen Öffnungen und Spielräumen uns innerhalb der Post weiterentwickeln und in anderen Bereichen weiter wachsen. Und das werden wir machen.
Sie haben gesagt, Sie müssten den Gürtel enger schnallen. Wie macht man das? Mit Stellenabbau?
Wir bringen die Investitionen für 2020 in Einklang mit dem Resultat, das wir 2019 haben werden. Die Post hat ihre Investitionen immer aus eigener Tasche getätigt. Wir haben nie Geld vom Steuerzahler gekriegt. Dementsprechend müssen wir nach dieser Maxime für nächstes Jahr etwas weniger in Sachanlagen investieren – zwischen 15 und 20 Prozent weniger. Damit wir nicht Geld ausgeben, bevor wir sicher sind, welches das Zukunftsbild ist für 2030 und in den folgenden Jahren.
Werden da auch Stellen abgebaut?
Nein, diese Reduktion der Investitionen betrifft tatsächlich Sachanlagen.
Sie haben die letzten 20 Wochen eher nach innen gewirkt, haben das Geschäft angeschaut. Aber vom Postchef erwartet man auch, dass er in der Öffentlichkeit auftritt. Werden Sie das jetzt vermehrt machen oder sind Sie eher der stille Mann fürs Interne?
Es ist sehr wichtig, dass wir die Herausforderungen der Post sachlich angehen und dass wir die Möglichkeit haben, mit allen Partnern – Politik, Behörden oder Sozialpartner – die Entwicklung der Post sicherzustellen. Meine Priorität wird dieser Dialog sein, der über die nächsten drei, sechs und neun Monate stattfinden wird, bis wir diese Strategie entwickelt haben. Und natürlich muss auch die Öffentlichkeit informiert werden. Das werden wir auch machen.
Wie entwickeln Sie diese Strategie?
Wir haben einen ungewohnten Weg genommen. Wir haben nicht nur top-down agiert, sondern wir haben eine Gruppe von 40 jüngeren Mitarbeitern, nicht zwingend vom Topkader, zusammengebracht. Sie arbeiten seit sechs Wochen in Workshops und entwickeln für die nächsten Monate Szenarien zuhanden der Konzernleitung, des Verwaltungsrates und natürlich der Eigner. So haben wir nicht nur eine Perspektive von oben, sondern eine Perspektive der Bedürfnisse, die aus den Unternehmen und aus der Bevölkerung kommen.
Das Gespräch führte Catherine Thommen.