- Es sei richtig, dass die Aargauer Gemeinde Aarburg Spitex-Leistungen neu bei einem privaten Anbieter einkaufe und nicht mehr bei der öffentlichen Spitex, so entschied das Bundesgericht im Oktober 2018
- Ein Vorstoss aus den Reihen der SVP wollte von der Regierung wissen, wie sich dieses Urteil auf den Kanton Solothurn auswirke.
- Die Antwort der Regierung: Wenn man das Urteil genau studiere, sehe man, dass sich für die Gemeinden etwas ändern könne, aber nicht müsse.
Der Fall Aarburg hatte viel zu reden gegeben. Der Gemeinderat war der Ansicht, die Kosten der Spitex seien zu hoch. Deshalb lud er verschiedene Firmen ein, Offerten einzureichen für die Spitex-Versorgung in der Gemeinde.
Den Zuschlag erhielt eine private Spitex. Sie arbeitet seit Anfang 2018 für Aarburg. Der Gemeinderat zieht eine positive Bilanz. Die der Gemeinde verrechneten Kosten haben sich nach einem Jahr halbiert, Aarburg habe über 250'00 Franken gespart. Es sei zwingend, dass eine Gemeinde wirtschaftlich denke und das Preis-Leistungs-Verhältnis in den Vordergrund stelle.
Die Vergabe der Gemeinde Aarburg wurde angefochten, und der Fall ging bis ans Bundesgericht. Dieses stützte den Entscheid der Gemeinde. Die Solothurner SVP-Kantonsrätin Stephanie Ritschard (Riedholz) reichte daraufhin einen Vorstoss ein. Sie wollte von der Regierung wissen, wie sich das Urteil des Bundesgerichts auf den Kanton Solothurn auswirke.
Kommerziell bedeutet Ausschreibung
Die Antwort der Regierung liegt nun vor. Darin heisst es, man müsse das Urteil sehr genau lesen. Eine generelle Pflicht zur Ausschreibung von Spitex-Dienstleistungen könne man aus dem Urteil des Bundesgerichts nicht ableiten.
Wenn eine Gemeinde die Spitex in erster Linie wirtschaftlich beurteile, also die Kosten in den Vordergrund stelle, müsse sie Leistungsaufträge immer öffentlich ausschreiben. So könne der Wettbewerb spielen und den Zuschlag erhalte dann der günstigste Anbieter.
Gewichte eine Gemeinde aber den sozialen Aspekt höher als die Kosten, könne sie den Leistungsauftrag an eine gemeinnützige Spitex vergeben. In diesem Fall sei eine öffentliche Submission keine Pflicht.
Normtarife gegen Kostenexplosion
Die Kosten, so die Regierung, könnten die Gemeinden auch ohne Ausschreibung im Griff behalten. Sie müssten nicht einfach jeden Tarif der Spitex schlucken, sondern könnten sich an den neuen Tarifvorgaben der Regierung orientieren. So würden die Kosten nicht aus dem Ruder laufen.
SVP-Gesundheitspolitikerin Ritschard zeigt sich auf Anfrage von SRF mit den Ausführungen der Regierung nicht zufrieden. Diese halte an starren und innovationshemmenden Strukturen fest, welche die Kosten in die Höhe treiben würden.
Gerichtsverfahren könnten drohen
Das letzte Wort in dieser Sache ist wohl noch nicht gesprochen. Der Verband der privaten Spitex-Organisationen ist der Ansicht, Gemeinden müssten immer wirtschaftlich denken bei der Spitex. Und deshalb seien öffentliche Ausschreibungen immer Pflicht.
Die Privaten werden bei künftigen Vergaben von Spitex-Leistungsaufträgen wohl sehr genau hinsehen. Sollte eine Gemeinde bei der Vergabe nicht klar deklarieren, welcher Aspekt (Wirtschaftlichkeit oder Gemeinwohl) für sie im Vordergrund steht, könnten sich Hebel bieten für Gerichtsverfahren. Und dann müssten Juristen die Grundsatzfrage klären, ob Gemeinden bei Spitex-Aufträgen vor allem wirtschaftlich denken sollen, oder ob sie sich vom Gedanken des Service Public leiten lassen dürfen.