In der heutigen digitalen Welt sind Smartphones und Apps aus dem Alltag von Kindern und Jugendlichen nicht mehr wegzudenken. Die Diskussion um ein Handyverbot an Schulen nimmt Fahrt auf. Ist ein Verbot überhaupt sinnvoll? Wie können Eltern und Lehrkräfte den Umgang mit diesen Technologien pädagogisch sinnvoll gestalten? Welche Apps sind empfehlenswert, welche sollten vermieden werden? Wie kann die Handynutzung sinnvoll in den Unterricht integriert werden, ohne den Lernprozess zu stören? Und wie können Jugendliche einen verantwortungsvollen Umgang mit den sozialen Medien lernen?
Unsere Expertenrunde haben Ihre Fragen von 15:30 bis 17:00 Uhr live im Chat beantwortet. Mit dabei waren Barbara Getto, Professorin für Medienbildung; Christiane Willemeit, Fachperson Medienkompetenz bei Pro Juventute; Daniel Hürzeler, Dozent für Medien und Informatik sowie Judith Mathez, Dozentin für Medienpädagogik.
Chat-Protokoll:
Ist ein völliges Verbot/Filtern von Pornographie realistisch? Oder soll man nur «schädliche» Pornograohie blocken. Gibt es vielleicht sogar auch «pädagogisches» Pornographiematerial?
Barbara Getto: Die Natur des Internets macht Regulierungen zu Pornografie schwer durchsetzbar. Umgehungstechnologien wie VPNs ermöglichen den Zugriff trotz regionaler Sperren. Die Definition dessen, was als «pornografisch» gilt, variiert kulturell stark. Kinder vollständig zu schützen, ist mittels Sicherheitssperren auf den eigenen Geräten technisch nur teilweise möglich. Wo Kinder sonst noch mit pornografischen Inhalten konfrontiert werden (bspw. im Freundeskreis) entzieht sich der Kontrolle. Wichtig wäre hier eine Begleitung und der Dialog in der Schule oder im Elternhaus.
Was ist ein sehr weit verbreiteter Fehler bei Eltern, die man unbedingt vermeiden sollte im Umgang mit der Handynutzung bei Kindern?
Christiane Willemeit: Kinder und Jugendliche sollen in einem angemessenen Alter Erfahrungen mit dem Handy machen dürfen, da sie so langfristig einen gesunden Umgang erlernen können. Es ist sehr empfehlenswert, die Kindern von Anfang an dabei zu begleiten: Auswahl der Apps auf dem Handy, Bildschirmzeiten, ein offener Dialog darüber, was das Kind auf den Apps sieht und erlebt.
Was halten sie von den Smartwatches, die ja auch immer beliebter werden bei Kindern. Da wurde schon oft auf problematische Datenschutzrichtlinien hingewiesen, haben Sie da Infos und tipps
Christiane Willemeit: Das stimmt, Smartwatches werden immer beliebter. Natürlich können dort bestimmte Einstellungen vorgenommen werden, aber es empfiehlt sich, dass Eltern genau überlegen, warum sie das Kind mit einer Smartwatch ausstatten wollen: Hat das Kind ein Sicherheitsbedürfnis (bspw. auf dem Schulweg), die die Smartwatch dem Sicherheitsbedürfnis der Eltern oder geht es auch einfach nur um Unterhaltung/ Kommunikation unterwegs. Zu Beginn ist es empfehlenswert, nur mit den nötigsten Apps und ohne Internetzugang die Smartwatch zu benutzen. Da, wie auch bei allen anderen Apps ist es wichtig, ausreichend Privatsphäreneinstellungen vorzunehmen und die Ortungsdienste auszustellen.
Guten Tag Ich mache die Erfahrung, dass unsere 3 Jungs (16,14,11) die Geräte sofort zur Hand nehmen, wenn gerade nichts läuft. Und dann kommen sie nicht mehr davon weg. Ausser wir bieten ihnen Unterhaltung (Spiele, gemeinsame Unternehmungen, Gespräch) an. Soll ich jetzt lieber die Jungs bespassen, dafür sind sie nicht am Handy, oder sie sollen sich alleine beschäftigen und dann hangen sie wieder am Handy? Meine Meinung ändert sich immer wieder. Aber im Moment habe ich das Gefühl diese Dauerberieselung führt zu langfristigen Schäden im Gehirn und im sozialen Umgang. Und dann nehme ich halt in Kauf, dass ich die Jungs bespassen muss. Ich bin gespannt auf eine Antwort.
Christiane Willemeit: Danke für die Frage. Ihre Kinder sind schon auf dem Weg ins Jugendalter (bzw. bereits angekommen). Für sie ist es wichtig, mit ihren Peers in Kontakt zu sein (sei es durch Games, Soziale Medien oder Kommunikationsapps). Das ist eine wichtige Entwicklungsaufgabe. Aber natürlich haben die digitalen Medien auch einen Reiz, der im Kontrast zu analogen Tätigkeiten steht. Ich denke, es ist wichtig, dass Sie das immer wieder thematisieren und gerade auch bei dem jüngsten Sohn immer wieder dranbleiben, Alternativen vorzuschlagen/ miteinander zu machen. Vielleicht wäre es ja auch eine Idee, Inputs aus der digitalen Welt ins analoge Leben zu nehmen. Familienchallenges bspw., die nichts mit dem Handy zu tun haben. Soziale Interaktionen finden auch übers Handy statt, aber es lohnt sich, wenn sie das auch als Familie miteinander erleben können. Und dass sich Ihre Meinung immer wieder ändert, zeigt auch: Das ist ein dynamisches Thema, welches sich auch immer wieder anders zeigt.
Wie sehen sie das Problem der Bildschirmzeit? Egal welcher Inhalt konsumiert wird. Ich sehe die fehlende Soziale Interaktion als grösstes Problem. Deshalb bin ich für ein Verbot an den Schulen.
Barbara Getto: Ich kann Ihre Bedenken total nachvollziehen. Viele Eltern möchten nicht, dass ihre Kinder «noch mehr» Zeit am Bildschirm verbringen und sehen die Schule da als willkommene «Insel». Wenn wir aber die Handys aus den Schulen verbannen, kommen wir in ein Spannungsfeld: Smartphones sind fester Bestandteil der Lebenswelt von Jugendlichen und die Schule hat die Möglichkeit auf die digitalisierte Gesellschaft vorzubereiten. Ein kompetenter Umgang mit Medien kann nur durch aktive Auseinandersetzung mit Medien entwickelt werden. Nicht alle Kinder haben Elternhäuser, die da einspringen können. Verbote haben das Risiko, dass sie erschweren einen kompetenten Umgang zu erlernen.
Warum wird jetz eigentlich über ein Handyverbot an Schulen diskutiert? Was habe ich verpasst? Gab es nicht schon immer ein Verbot im Unterricht...
Judith Mathez: Die Nutzung von Handys (und Smartwatches) wurde und wird in Schweizer Schulen unterschiedlich gehandhabt. Es gibt Schulen, die schon länger ein Handyverbot auf dem Schulgelände haben, andere haben den Grundsatz «Handys darf man weder sehen noch hören», wieder andere regulieren die Handynutzung nicht. Und teilweise gibt es Ausnahmeregelungen, wenn die Geräte für den Unterricht genutzt werden oder um am Pausenkiosk mit Twint zu bezahlen. Generell ist aber Ihre Beobachtung ganz richtig: An vielen Schulen wird derzeit der Umgang mit dem Handy heiss diskutiert. Die Empfehlung des Dachverbandes der Lehrerinnen und Lehrer Schweiz lautet, eine Balance zwischen Kontrolle und Verantwortung zu finden. Statt eines generellen Verbots empfiehlt er, dass Schulen, Schülerinnen und Schüler und Eltern zusammenarbeiten, um gemeinsam Regeln zu entwickeln und so eine tragfähige Lösung zu finden. So können die Geräte gewinnbringend genutzt werden, aber Risiken eines schädlichen oder unerwünschten Umgangs wie Cybermobbing können minimiert werden.
Wie weit verbreitet ist das Problem der Medien sucht / «Informationssucht» in Jugendlichen und Kindern? Und was für Strategien können Eltern oder auch die Minderjährige selber versuchen / unternehmen? Ab wann ist es ratbar eine Experte einzubeziehen?
Christiane Willemeit: Sie sprechen hier verschiedene Themen an: Einerseits sind für Jugendliche die sozialen Medien eine wichtige «Informationsquelle» im Gegensatz zu Zeitungen etc. (wie die JAMES-Studie zeigt), weil sie dort mit Menschen in Kontakt sind, die ihre Sprache sprechen, zu denen sie Vertrauen haben. Das kann natürlich auch viel Falschinformationen bedeuten. Andererseits nehmen die Medien einen grossen Stellenwert in der gesamten Gesellschaft, aber natürlich auch bei den Kindern und Jugendlichen ein, die damit aufwachsen (ganz anders als die Eltern-/Grosselterngeneration). Kindern und Jugendliche müssen von Anfang an beim Umgang mit den Medien begleitet werden, damit sie einen gesunden (auch hinsichtlich der Zeit und der Fähigkeit des Abschaltens) Medienumgang lernen können. Strategien könnten sein, immer wieder bewusste Tage ohne Medien einzulegen (da können die Erwachsenen auch ein Vorbild sein), attraktive offline Alternativen (gemeinsame Aktivitäten in der Familie). Nur wenn der Medienkonsum nicht mehr einzuschränken ist (kann sich zeigen in Rückzug, fehlende Freude an anderen Aktivitäten, sinkenden Schulleistungen), empfiehlt sich eine Beratung oder Hilfe von aussen, bspw. die Elternberatung von Pro Juventute.
Guten Tag, vielen Dank für das Angebot. Mich würde interessieren, was sie Kindern und Jugendlichen empfehlen, die nur noch News auf Insta oder TikTok konsumieren. Wie können sie da noch entscheiden, was Fake News ist und was nicht. Wird das an Schulen noch beigebracht? Danke
Judith Mathez: Tatsächlich ist es eine Herausforderung, bei News auf Social-Media-Kanälen den Informations- und Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Auf der anderen Seite bieten solche Kanäle einen Zugang zu den Mediengewohnheiten von Jugendlichen und machen auch Themen wie Politik oder Gesellschaftsfragen für diese Altersgruppe interessant und zugänglich. Die Schule nimmt sich nach wie vor dieses Themas an. Der Deutschschweizer Lehrplan zielt darauf ab, dass Kinder und Jugendliche lernen, Informationen und Informationsquellen kritisch zu hinterfragen. Auch die Lehrmittel greifen das Thema auf. Ziel ist eine mündige Teilhabe an der zukünftigen Mediengesellschaft.
Ab welchem Alter ist es sinnvoll, TikTok, Instagram und andere sozialen Medien zu erlauben?
Barbara Getto: Es gibt offiziellen Altersbeschränkungen. z. B. bei TikTok, Instagram, Facebook, Twitter/X ist das offizielle Mindestalter 13 Jahre. Das sind aber Empfehlungen, die primär auf Datenschutzgesetzen basieren, nicht unbedingt auf entwicklungspsychologischen Erkenntnissen. Viele Kinder im frühen Teenageralter haben noch gar nicht die emotionale Reife, um mit den sozialen Dynamiken, Vergleichen und potenziell negativen Erfahrungen in sozialen Medien umzugehen. Ausserdem enthalten die Plattformen trotz Moderationsmassnahmen unangemessene Inhalte, die für jüngere Nutzer problematisch sein können. Die Fähigkeit, Inhalte kritisch zu bewerten und sicher zu interagieren entwickelt sich erst im Laufe der Teenager-Jahre. Ich würde sagen, noch wichtiger als das genaue Alter sind Faktoren wie die individuelle Reife des Kindes, eine vorherige Medienkompetenzbildung und offene Gespräche über Online-Sicherheit, sowie klaren Regeln und eine aktive Begleitung durch die Eltern (besonders in der Anfangsphase).
Grüezi meine heute 19 jährige Tochter wurde Handysüchtig. Wie findet sie einen Weg aus ihrem schädlichen Verhalten? Es ist ihr bewusst, dass der Konsum nicht gut ist. Die Abhängigkeit ist stärker als Zb Cannabiskonsum, dort hat sie den Ausstieg geschafft. Danke!
Christiane Willemeit: Danke für diese Frage – es ist toll, dass sich Ihre 19-jährige Tochter Ihnen so öffnen kann und dass sie ein ungesundes Verhalten (Cannabiskonsum) bereits überwinden konnte. Zuerst einmal: Ist diese Einschätzung einer Sucht tatsächlich medizinisch diagnostiziert? Ansonsten sprechen wir von einer problematischen Mediennutzung, die natürlich sehr komplex ist. Es lohnt sich, genauer hinzuschauen: Ist Ihre Tochter viel auf Social Media unterwegs oder sind es vor allem Messenger-Apps (WhatsApp etc.), denen sie sich schwer entziehen kann? Grundsätzlich geht es darum, Verhalten zu verändern und da ist es empfehlenswert, dies wirklich Schritt für Schritt anzugehen. Bspw. zuerst einmal die Zeit auf den Apps zu reduzieren und gleichzeitig spannende, positive Alternativen zu finden. Vielleicht macht Ihre Tochter gern etwas Kreatives, Sportliches. Und ganz wichtig ist sicher Unterstützung – sei es für Ihre Tochter direkt oder auch für die Familie als Begleitung. Sie können immer wieder motivieren. Ich wünsche Ihnen alles Gute!
Guten Tag, gibt es Internetseiten oder Fachstellen, die Angaben zu Games liefern können bezüglich deren Suchtpotenzial, Dark Patterns, Alterseignung etc. Die Idee wäre, Games mit hohem Suchtpotenzial nicht zu erlauben. Es geht ein knapp 10 Jahre altes Kind. freundliche Grüsse.
Christiane Willemeit: Ganz grundsätzlich empfehlen wir für die Einschätzung von Games folgende Homepage: www.spielratgeber-nrw.de Dort finden Sie pädagogische Beurteilungen, anhand derer Sie sich ein Bild machen können.
Wie können Eltern und Lehrkräfte Cybermobbing erkennen und dagegen vorgehen? Mit welchen Methoden haben Sie da beste Erfahrungen machen können?
Daniel Hürzeler: Cybermobbing kann schwer zu erkennen sein, denn die Beleidigungen geschehen online und die Betroffenen schweigen aus Angst oder Scham. Trotzdem gibt es Warnsignale, auf die Eltern und Lehrpersonen achten können – etwa wenn sich ein Kind aus sozialen Kontakten zurückzieht oder niedergeschlagen wirkt. Am besten begegnet man Cybermobbing präventiv, in dem beispielsweise im Unterricht der wertschätzende Umgang miteinander immer wieder thematisiert und geübt wird. Eine vertrauensvolle Beziehung ist entscheidend, damit sich Kinder und Jugendliche öffnen – sei es als gemobbte oder als mobbende Person. Regelmässiges Nachfragen und echtes Interesse an den Onlinetätigkeiten der Kinder zeigen ist sehr wichtig und stärkt auf lange Sicht eine vertrauensvolle Beziehung. Falls Cybermobbing bereits stattfindet und man reagieren muss, gibt es auch einige gute Ansätze für Eltern oder Lehrpersonen. In vielen Fällen kennen sich die Mobbenden und die Betroffenen, sei es aus dem schulischen Umfeld oder sogar aus derselben Klasse. Hier ist Feingefühl, eine rasche Reaktion der Lehrperson gefragt. Es sollte vermieden werden, Beteiligte direkt vor der gesamten Klasse zu konfrontieren. Eine Möglichkeit, wie das Problem Cybermobbing angepackt werden kann, könnte der «No-Blame-Approach» sein, welcher 3 Schritte umfasst:
- Gespräch mit den Mobbing-Betroffenen, um ihre Sicht zu verstehen und Unterstützung anzubieten
- Bildung einer Unterstützungsgruppe, die sich aus Mitschülerinnen und Mitschülern zusammensetzt – darunter auch Personen, die unbeteiligt oder Teil des Problems waren.
- Einzelne Nachgespräche nach 2-3 Wochen, um Veränderungen zu beobachten und weitere Schritte einzuleiten. Sehr hilfreiche Informationen finden Sie als Eltern oder Lehrpersonen bei Pro Juventute oder jugendundmedien.ch.
Können Sie ein Beipsiel geben, wie so ein sinnvoller Unterricht mit einem handy aussehen könnte? merci
Barbara Getto: Danke für die Frage. Sinnvoll ist die Nutzung von Smartphones im Unterricht, um Recherche und Informationskompetenz zu trainieren. Zum Beispiel durch gezielte Rechercheaufträge, bei denen die Schülerinnen und Schüler konkrete Fragen bekommen, die sie in einem festgelegten Zeitraum beantworten müssen (z. B. zu aktuellen Ereignissen im Politikunterricht). Gut für den Diskurs um Fake-News sind Aufgaben zur Quellenprüfung. z. B. ein gemeinsames Erarbeiten von Kriterien zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Online-Quellen, dann praktische Übungen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch wieder, dass es klare Regeln und Begleitung gibt. Also transparente Vereinbarungen, wann Smartphones genutzt werden dürfen und wann nicht. Besonders zu Beginn braucht es eine intensive Anleitung und Reflexion der Nutzung. Und noch eine Perspektive zum gleichberechtigten Zugang: «Bring Your Own Device»-Ansätze sollten soziale Ungleichheiten berücksichtigen (bspw. durch Ausleihgeräte für Schülerinnen und Schüler ohne eigene Geräte).
Wir möchten unserem 2.5 jährigen Sohn eigentlich keine Bildschirmzeit einräumen. Aber tappen manchmal trotzdem in die Falle, wenn Grosi ein Videocall macht, wir für den Götti ein Geburtstagsvideo aufnehmen oder er Fotos oder Videos von sich selber schauen will. Zählen solche Momente ebenfalls zu eigentlich zu vermeidenden Bildschirmzeit? Wir haben bisher den Eindruck, dass er die Eindrücke gut verarbeitet und sich freut, darf er auch mal mit uns am Handy sein, da dieses sonst exklusiv unseres ist und daher umso spannender&anziehender für ihn wird. Haben Sie Tipps wie wir dieser Anziehung im Alltag entgegenwirken können, obwohl wir es halt da auch offensichtlich nutzen um Zugverbindungen nachzuschauen, Einkaufslisten zu führen usw.
Christiane Willemeit: Grundsätzlich sind ja Smartphone aus unseren Alltag nicht wegzudenken. Ich möchte Sie da etwas beruhigen – so, wie Sie es schildern, erleben Sie mit Ihrem Sohn «gemeinsame Medienzeit» oder zugunsten von Kommunikation. Es scheint, dass Sie Ihre Mediennutzung reflektieren. Für ein kleines Kind kann es hilfreich sein, wenn Sie jeweils kommentieren, was Sie machen: «Ah, jetzt muss ich die Zugverbindung nachschauen.» Oder: «Hier steht die Einkaufsliste, ich schaue, was wir noch mitnehmen müssen.»
Kinder und jugendliche sind bereits durch verschiedene Gesetze vor gefährdendem Inhalt und bestimmten vertraglichen Vorgängen mittels Mindestalter geschützt, da sie die Folgen Ihres Handelns nicht wie eine erwachsene Person abschätzen können. Die unbeaufsichtigte Nutzung kommt in mehrerlei Hinischt einem rechtsfreien Raum gleich, da sich die Hersteller mit Mindestalterangaben, welche durch Eltern nicht beachtet werden (können), aus der Schusslinie nehmen, wie z.B. bei YouTube. Wenn also die Vorgaben des Kinder- und Jugendschutzgesetzes (Altersgerechte Inhalte), des Mediengesetzes (Verbot direkter Werbung an Kinder), des Vertragsrechtes (Vertragsfähigkeit für das Modell Daten gegen Dienstleistung) und nicht zuletzt des Datenschutzgesetzes eingehalten werden würden, ergäbe sich daraus je nach Anwendung ein Mindestalter von etwa 16 Jahren zur alleinigen, unbeaufsichtigten Nutzung von Smartphones und Tablets. Aus diesem Grund stellt sich wohl nicht die Frage eines neuen (Verbots-) Gesetzes zur Festlegung eines Mindestalters oder Nutzungsverbot an Schulen, vielmehr würde sich ehrlicherweise die Frage stellen, ob man geltendes Recht zum Schutz von Minderjährigen zugunsten der Nutzung aufheben möchte. Wenn man also zugunsten von Chancen auf bekannte und wahrscheinliche Risiken für Kinder und Jugendliche, ein Mindestalter zur Nutzung von sogenannten sozialen Medien ablehnen will, müsste doch folgerichtig eher die Frage der Einschränkung oder Aufhebung geltender Gesetze im Raum stehen, um diese Art der «digitalen Teilhabe» zu legalisieren. Sollte man also, um die Nutzung durch Minderjährige zu legalisieren, bei der Nutzung von Tablets oder Smartphones durch Kinder diese Gesetze nicht ausser Kraft setzen? Das wäre hinsichtlich der stattfindenden Nutzung doch am ehrlichsten. Wie sieht es diesbezüglich mit der Karolinska Studie aus? https://bildung-wissen.eu/fachbeitraege/karolinska-institut-schweden-stellungnahme-zur-nationalen-digitalisierungsstrategie-in-der-bildung.html Möchten wir das wirklich?
Judith Mathez: Danke für diese Frage. Sie sprechen die Diskrepanz zwischen (juristischer) Regulierung und dem pädagogischen Alltag an. Unbestritten ist es sinnvoll, dass Kinder und Jugendliche einen besonderen Schutz geniessen, was gefährdende Medieninhalte und Marketingstrategien angeht. Juristische Regulierungen pauschalisieren stets und können der Unterschiedlichkeit von Kindern und Jugendlichen, ihren Stärken, Ressourcen und ihren unterschiedlichen Umfeldern nicht Rechnung tragen. Sie bieten aber eine Leitplanke. Im pädagogischen Alltag zu Hause und in der Schule muss dann jeweils individuell entschieden werden, welcher Medienumgang für dieses Kind, diese Jugendliche passend ist. Dazu ist es wichtig, neben verbindlichen Regelungen auch aktuelle Entwicklungen und die jeweilige Person bzw. Familie im Blick zu haben.
Gerne würde mich interessieren welche Apps oder Medien Sie als sehr problematisch für die Jugendlichen erachten, soll ich diese dann löschen lassen und mit meinem Kind besprechen. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit nehmen dafür
Christiane Willemeit: Spannende Frage. Grundsätzlich ist bei Jugendlichen natürlich schon schwierig, Apps zu verbieten. Meistens haben diese bereits ein Handy und wenig beschränkte Bildschirmzeit. Wichtiger, als Apps zu verbieten, ist, einen offenen Dialog mit dem jugendlichen Kind zu fördern und sich für die Lebenswelt und das, was es auf den Apps erlebt, zu interessieren. Jugendliche sind meistens auf den sozialen Apps (TikTok, Instagram) unterwegs, weil dies ihrem Bedürfnis nach Kontakt zu Peers, Kennenlernen von unterschiedlichen Lebensentwürfen entspricht. Deswegen ist ein Verbot von Apps nicht sinnvoll, weil das die Apps attraktiver macht. Stattdessen aber Begleitung durch Eltern unerlässlich. Sich gemeinsam auch die App anschauen und darüber sprechen, was man sieht und welchen Profilen man folgt.
Ab welchem Alter erachten Sie die Nutzung eines Handys sinnvoll? Welche Regeln und Grenzen sollten dem Kind aufgezeigt werden. Und wie viel Kontrolle darf sein? Danke im Voraus
Daniel Hürzeler: Hierzu gibt es keine allgemeingültige Altersgrenze, einige Experten empfehlen ein Smartphone ab 12 Jahren. Viel entscheidender ist jedoch die Reife und die Medienkompetenz des Kindes, diese können sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Eltern können sich an Checklisten zum Thema «Ist mein Kind fit für ein eigenes Smartphone?» orientieren, die leicht online auffindbar sind. Diese ermöglichen eine gemeinsame Einschätzung, ob der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Legen Sie die Regeln am besten gemeinsam mit ihrem Kind fest. Mit diesen Regeln können sie festhalten, wie lange, wann und wo das Smartphone genutzt werden darf und wann Smartphone-freie Zeiten sind. Diese Regeln sollten regelmässig überprüft und angepasst werden, damit sie altersgerecht bleiben.
Unser Sohn ist 14 und möchte am Abend immer länger sein Handy im Zimmer behalten. Wir haben uns mittlerweile bis 22 Uhr geeinigt – müssen jedoch jeden Abend aufs Neue diskutieren. Gibt es eine Empfehlung für dieses Alter? Er muss für die Schule 6:15 Uhr morgens aufstehen. Vielen Dank.
Christiane Willemeit: Das ist eine Frage, die viele Eltern beschäftigt. Sie befinden sich gerade an einer Schwelle, wo Ihr Sohn noch mehr Autonomie (und Freiraum) braucht und anderseits auch Sie noch die Aufsichtspflicht haben und für sein Wohlergehen (sprich: ausreichend Schlaf, um gesund zu bleiben) verantwortlich sind. Was macht denn Ihr Sohn bis 22 Uhr damit? Ist er am Gamen, SMS schreiben, auf Social Media scrollen? Und schafft er es denn morgens gut, aufzustehen? Vielleicht können Sie mal eine Probezeit vereinbaren – eine Woche länger am Handy und er muss trotzdem um 6.15 Uhr aufstehen?
Grüezi. Ich (69) bin s Grossmami von vier Enkeln/Innen: 4, 5, 7, 9 jährig. Und hüte regelmässig. Schon lange möchte ich wissen: wenn Emily (9) auf meinem Handy auf TicToc ist: wie ist Ihre Meinung dazu? Ehrlich gesagt nehme ich mir immer wieder vor, KEIN Handy zu erlauben. Doch manchmal kommt es mir einfach auch entgegen, für 30-40 Minuten etwas Ruhe zu haben, besonders wenn alle 4 da sind…. P.s. Ich habe zu allen eine herzliche Beziehung. Die Eltern der Kinder sagen, sie vertrauen mir bzgl. Medien- Umgang.
Judith Mathez: Danke für die Frage. Ihr Bauchgefühl ist schon richtig, wenn Sie sich vornehmen, die TikTok-Nutzung für die Enkelin einzuschränken. Die App ist ab 12 bzw. 13 Jahren freigegeben. Ich gehe davon aus, dass Ihre Enkelin TikTok vor allem zum Anschauen von Clips nutzt. Es kann passieren, dass sie dabei auf ungeeignete Inhalte wie z. B. unrealistische Idealbilder oder versteckte Werbebotschaften stösst. Beim Publizieren eigener Clips kommen noch weitere Risiken hinzu. Vielleicht finden Sie andere Möglichkeiten, zu Ruhepausen in trubeligen Hütetagen zu kommen, z. B. mit Hörspielen? Zudem möchte ich anregen, dass Sie sich mit Ihrer Enkelin darüber unterhalten, was sie in und mit Medien erlebt. Oft haben Kinder hier viel zu berichten. In Ihrer Frage steckt zudem noch ein ganz anderes Thema: Für viele Kinder ist es normal, dass sie bei den Grosseltern, bei getrennten Elternteilen usw. im Erziehungsalltag unterschiedliche Regeln erleben. Hier ist es wertvoll, wenn die Erwachsenen miteinander im Gespräch sind und ein gutes Auge auf die Kinder haben – wie es bei Ihnen ja der Fall ist.
Was beachten Sie als ExpertInnen für Medienkonstum bei der Verwendung Ihres Smartphone für Fotos und Videos von Ihren Kindern zu machen? Oder nutzen Sie dieses grundsätzlich nicht, da viele negative Folgen der Omnipräsenz digitaler Medien für ebendiese eigentlich bekannt sind?
Barbara Getto: Ich finde, das ist eine interessante Frage, die sich Eltern und Familienangehörige stellen sollten. Der richtige Umgang ist eine Balance: Einerseits möchte ich wertvolle Erinnerungen bewahren, andererseits das Recht meiner Kinder auf Privatsphäre respektieren und ihnen die Möglichkeit geben, ihre digitale Identität später selbst zu gestalten. Ich sehe da erstmal eine Schutzfunktion (und Pflicht) der Eltern gegenüber dem Kind und die Frage, ob Persönlichkeitsrechte gewahrt werden. Es verblüfft mich immer wieder, wenn ich sehe, dass Eltern Bilder und Videos ihrer Kinder auf Social-Media-Plattformen stellen. Man denkt sich nichts Schlimmes dabei und will die Bilder vielleicht vor allem mit Familie und Freunden teilen. Was dann oft nicht bedacht wird, ist, dass sie die Kontrolle verlieren, wer was im Weiteren mit ihren Bildern macht, wenn die Bilder und Videos einmal online sind. Ich würde empfehlen, folgende Aspekte in diesem Zusammenhang im Blick zu behalten:
- Die Privatsphäre können sie schützen, indem sie ausschliesslich private, passwortgeschützte Kanäle für den Austausch mit Familie und engsten Freunden – keine öffentlichen Plattformen. Dienste wie Familienalben-Apps oder verschlüsselte Messengerdienste mit begrenztem Teilnehmerkreis sind vorzuziehen.
- Bewusste Bildauswahl: Nicht jeder Moment muss dokumentiert werden. Achten Sie darauf, keine potenziell peinlichen oder intime Situationen (Badewanne, Toilette, Wutanfälle) aufzunehmen, die später für das Kind unangenehm sein könnten.
- Einwilligung einholen: Mit zunehmendem Alter frage ich Kinder, ob ich ein Foto machen darf und zeige es ihnen. Dies vermittelt von früh an ein Bewusstsein für das Recht am eigenen Bild.
- Bildkonsum reflektieren: Die ständige Smartphone-Präsenz sendet Signale an Kinder. Bemühen Sie sich um «Kamera-freie Zonen», wo das Kind weiss, dass es unbeobachtet ist und keine Aufnahmen gemacht werden.
- Metadaten beachten: Sie können Standortangaben in den Kameraeinstellungen deaktivieren, um keine versehentliche Preisgabe von Wohnort, Kita oder anderen regelmässig besuchten Orten zu riskieren.
Aufgewachsen in einer 'analogen' Welt bin ich mit dem Handygebrauch/-konsum unserer Tochter (14 Jahre) immer wieder mal überfordert. Meine Wahrnehmung ist, dass auch Personen, die professionell in Pädagogik und Bildung tätig sind, teilweise stark widersprechende Meinungen dazu haben. Haben Sie einen Tipp (Webseite, Buch) der 'erziehungsberichtigten Personen' etwas Unterstützung zum Thema gibt um sich eine Meinung zu bilden?
Judith Mathez: Wertvolle, differenzierte und aktuelle Informationen finden Sie auf der Seite https://www.jugendundmedien.ch/, das ist die nationale Plattform zur Förderung von Medienkompetenz. Eltern, aber auch Lehrpersonen und andere Personen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, finden dort Unterstützung. Einen guten Überblick bieten die Flyer, die zudem in vielen verschiedenen Sprachen erhältlich sind, sowie die Broschüre «Medienkompetenz». Das alles kann bei Jugend und Medien heruntergeladen oder kostenlos in Papierform bestellt werden: https://www.jugendundmedien.ch/angebote-beratung/bestellung-publikationen
Welche Empfehlungen machen sie bei Kindern mit Autismusspektrumsstörungen, bei welchen die digitalen Medien ein Spezialinteresse darstellen und diese zur Anspannungsreduktion nutzen?
Christiane Willemeit: Das ist eine sehr spezifische Frage, zu der wir hier in dieser Runde nicht im Detail eine Antwort geben können. Ganz allgemein können die digitalen Medien Erfolgserlebnisse – oder auch wie Sie schreiben, Inselinteresse & Anspannungsreduktion – bedeuten. Das ist positiv. Doch benötigen ja besonders Kinder mit ASS auch analoge und explizit soziale Erfahrungen/ Interaktionen, um zu lernen und das Erlebens- und Verhaltensrepertoire zu erweitern. Daher sollten digitale Medien gezielt und bewusst eingesetzt werden. Wir empfehlen für weitere Informationen die bekannten Anlaufstellen: autismus.ch / zentrumfuerautismus.ch
Können moderne Router z.B von Swisscom bei aktivieren eines Kinderschutzes für die IP von einem IPAD einen grossen Teil von schädlichen Inhalten wirklich entfernen respektive raus Filtern? Gibt es hier Empfehlungen oder Erfahrungswerte?
Daniel Hürzeler: Kinderschutzfunktionen auf technischen Geräten wie Routern bieten einen grundlegenden Schutz, sind aber nicht unfehlbar. Filter auf dem Router zu Hause verhindern jedoch nicht, dass Kinder und Jugendliche dennoch mit problematischen Inhalten in Berührung kommen – sei es über Freunde, Social Media oder Messenger-Dienste. Filter können unterstützen, ersetzen aber die Medienerziehung nicht. Eltern und Lehrpersonen sollten aktiv mit Kindern über digitale Gefahren sprechen. Wichtig ist, dass Kinder verstehen, warum bestimmte Inhalte problematisch sind und wie sie sich in entsprechenden Situationen verhalten können. Regelmässige Gespräche über Online-Erfahrungen, Fake News, Datenschutz oder Cybermobbing helfen dabei, eine reflektierte Medienkompetenz aufzubauen.
übt die ganze diskussion nicht so einen riesendruck bei den kids aus? warum lässt man sie nicht einfach machen, irgendwann lernen sie es mit der zeit, quasi selbstregulierung
Barbara Getto: Das ist eine spannende Frage, die den Kern der Debatte um Handynutzung in der Schule trifft. Einerseits kann man argumentieren, dass Kinder und Jugendliche durch Selbstregulierung lernen, verantwortungsvoll mit digitalen Medien umzugehen – ähnlich wie sie andere soziale Kompetenzen im Laufe der Zeit entwickeln. Andererseits zeigt die Praxis, dass viele Kinder dabei Unterstützung brauchen, da sie sich in einer digitalen Welt bewegen, die stark von Algorithmen, Dopamin-Belohnungssystemen und kommerziellen Interessen geprägt ist. Man kann argumentieren, dass die Schulen hier einen Auftrag haben, Medienkompetenz zu vermitteln. Sie bilden nicht nur in klassischen Fächern, sondern bereiten Schülerinnen und Schüler auch auf die digitale Welt vor. Ein «Lass sie einfach machen» birgt das Risiko, dass sich ungesunde Nutzungsmuster verfestigen, anstatt dass Kinder und Jugendliche lernen, reflektiert mit Medien umzugehen. Und: digitale Selbstregulation braucht Anleitung! Studien zeigen, dass Kinder und Jugendliche oft Schwierigkeiten haben, sich selbst Grenzen zu setzen – gerade weil soziale Medien und Spiele bewusst so gestaltet sind, dass sie möglichst lange fesseln. Schulen können hier gezielt unterstützen, indem sie Aufklärung bieten und Methoden der bewussten Nutzung vermitteln. Gerade jüngere Kinder haben oft noch nicht die Fähigkeit zur Impulskontrolle, die nötig wäre, um selbstreguliert und sinnvoll mit dem Smartphone umzugehen. Strukturiertes Lernen über den Umgang mit digitalen Medien kann helfen, problematische Nutzungsweisen früh zu erkennen und entgegenzusteuern. Ohne klare Regeln nutzen einige Kinder ihre Smartphones exzessiv, während andere sich unter Druck gesetzt fühlen, mitzuziehen. Einheitliche Regelungen in der Schule nehmen den sozialen Druck und geben allen die gleichen Chancen auf konzentriertes Lernen und sinnvolle Mediennutzung.
Unser 26 Monate altes Mädchen ist „besessen“ von -PAW PATROUL-! Recht gut inszeniert, sogar lehrreich. Nur, jetzt reicht eine Folge (10 Min.) nicht mehr 😡 Was tun?
Christiane Willemeit: Danke für die Frage. Da scheint sich nun bereits ein leichter Gewöhnungseffekt eingestellt zu haben. Ich nehme an, Ihre Tochter reagiert sehr emotional, wenn ausgeschaltet wird? Ich würde da nicht nachgeben, wahrscheinlich ist es einfacher, nicht jeden Tag zu schauen, sondern zwischendurch auch Tage, an denen es keine Bildschirmzeit gibt. Die allgemeine Empfehlung ist ja bis 3 Jahre nur wenige Minuten (wenn überhaupt pro Tag). Erfreulicherweise lassen sich so kleine Kinder auch gut ablenken oder bspw. mit Tiptoi-Stift und Hörspielen als Alternative überzeugen. Gibt es meiner Meinung nach auch bereits mit Paw-Patrol-Thema.
Wie merke ich, dass ich handysüchtig bin?
Judith Mathez: Die kantonalen oder regionalen Suchtpräventionsstellen bieten oft Selbsttests auf ihren Webseiten. Es ist aber auch möglich, dass jemand nicht im klinischen Sinn süchtig ist, aber trotzdem die eigene Handynutzung als problematisch erlebt, weil dadurch beispielsweise die Sozialkontakte oder die Leistungen in Schule, Ausbildung oder Arbeit leiden. Die Suchtpräventionsstellen sind auch in diesen Fällen die richtige Anlaufstelle.
Meine Tochter (14)kapselt sich phasenweise mit ihrem Handy / Kopfhörern ab ( einschliessen im Bad etc ) um Abmachungen / Handyauszeiten vor allem abends zu umgehen. Das führt zu heftigen Diskusdionen und Schlafmangel. Im Gespräch sieht sie sekbst teilweise ein dass, es ungesund ist , kann und will aber ihr Verhalten nicht ändern. Sie konsumiert keine expliziten Social Media -Kanäle wie Tiktok oder ganes, sie verliert sich beim Musik hören, chat etc. hat aber noch Hobbies. Wo gibt es Beratung für Kinder oder Jugrndliche um zu lange Bildschirmzeit bzw.Auszeit /Begrenzung zu besprechen und verändern?
Christiane Willemeit: Ich höre Besorgnis in Ihrer Frage, Besorgnis und auch, dass dieses Thema Konfliktpotential bedeutet. Sie schreiben, dass Ihre Tochter vor allem Musik hört & mit anderen chattet. Das sind normale Bedürfnisse und auch Entwicklungsaufgaben, die Jugendliche in dem Altern, bei dem es auch um die Ablösung vom Elternhaus und Orientierung an der Peers geht. Was sieht denn Ihre Tochter selbst als ungesund an? Solange sie noch Hobbys oder andere Interessen hat, würde ich die Mediensituation noch nicht als schwerwiegend einschätzen. Vielleicht können Sie für sich einfach mal den Fokus weg von diesem Thema legen und schauen, was Sie gemeinsam mit Ihrer Tochter positiv erleben können und wieder eine vertrauensvolle Basis schaffen, auf der Sie dann nochmal anders mit Ihrer Tochter über das Thema sprechen können. Vielleicht wünscht sie sich ja auch Ihre Unterstützung dabei, die Zeit ein bisschen einzugrenzen? Und wenn es wirklich um Beratung (sei es für Sie als Elternteil oder Ihre Tochter) geht, empfehle ich Ihnen die 147 oder auch die Pro-Juventute-Elternberatung. Alles Gute für Sie und Ihre Tochter!
Danke, dass Sie sich Zeit nehmen. Wie erkläre ich meinen Kindern am besten das Thema Datenschutz/Privatsphäre, wie kann ich das herunterbrechen, damit sie darauf sensibilisiert sind? Leider stosse ich da manchmal auf taube Ohren.
Daniel Hürzeler: Danke für die spannende Frage! Datenschutz und Privatsphäre sind wichtige Themen, die sowohl Eltern als auch Lehrpersonen beschäftigen. Ein guter Ansatz, um Kindern das Thema verständlich zu machen, ist der Vergleich mit dem Alltag: Beispiel Social Media: Würdest du ein ausgedrucktes Bild von dir einer fremden Person in der Stadt geben? Oder das Beispiel Geheimnisse: Wenn du jemandem ein Geheimnis erzählst, möchtest du, dass es in der ganzen Schule herumgesprochen wird? Eine offene Diskussion darüber, welche Informationen privat bleiben, welche mit Familie und Freunden geteilt werden und welche öffentlich sein dürfen, kann für alle Beteiligten sehr spannend und lehrreich sein. Entscheidend ist, dass Kinder sensibilisiert werden und wissen, dass sie immer nachfragen können, wenn sie unsicher sind. Privatsphäre und Datenschutz sind übrigens auch feste Bestandteile einiger Schweizer Medien- & Informatik-Lehrmittel.
Guten Tag. Können Sie sinnvolle Apps empfehlen, die für den Schullaltag elementar sind?
Daniel Hürzeler: Guten Tag! Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten, da die passende App stark von der Klassenstufe, dem Fach und dem Einsatzzweck (Lernende oder Lehrperson) abhängt. Ich empfehle, sich direkt bei der Lehrperson zu erkundigen oder gezielt nach Apps für den Unterricht zu recherchieren.
Liebes Team Ich bin während meiner Arbeit im Büro zu oft am Handy. Wie kann ich das reduzieren? Liebe Grüsse
Christiane Willemeit: Wenn das Handy nicht zwingend zur Arbeit benötigt wird: Irgendwo (nicht am Arbeitsplatz) deponieren und bspw. nur in der Mittagspause hervornehmen. Die Zeiten auf den Apps, die so verlockend sind, begrenzen (bspw,. 15 Min). Auch dem Umfeld kommunizieren, dass man während der Arbeitszeit nicht mehr so gut erreichbar ist und nicht gleich antwortet. (Nimmt sich selbst den Druck, immer gleich antworten/ erreichbar sein zu müssen)
Wie sehen Sie die Handy-/Socialmedia Sucht bei Erwachsenen? Ich kenne es, starke Probleme zu haben vom Handy, Tablet, etc. weg zu kommen, wenn nach einem langen Tag keine Energie für etwas Anderes besteht. Das Ganze sieht aber anders aus, wenn Pläne bestehen – Trainings, Dates, etc.
Judith Mathez: Das ist eine interessante Beobachtung. Erwachsene haben – genauso wie Kinder und Jugendliche – auch das Bedürfnis nach Entspannung und Unterhaltung. Da können Medien eine grosse Unterstützung sein, ganz unabhängig davon, welche Medien nun genau genutzt werden: Musik, Bücher, Filme oder eben ein Game, eine Serie oder das Scrollen durch Kurzclips in der Social-Media-App. Ich plädiere hier auch für etwas Nachsicht mit sich selbst. Solange ein gesundes Gleichgewicht zwischen On- und Offlinewelt besteht, ist es völlig in Ordnung, manchmal auch ein paar Stunden vor dem Bildschirm abzuhängen.
Guten Tag Unsere Tochter (13 J.) ist in der ersten P-Klasse und hat nun einen Schullaptop. Darauf ist viel Schulmaterial zum lernen. Sie wird aber immer von youtube etc. abgelenkt. Wie kann ich ihr helfen, sich da besser zu steuern?
Barbara Getto: Es ist grossartig, dass Ihre Tochter die Möglichkeit hat, mit digitalen Medien zu lernen. Gleichzeitig stellt genau das viele Jugendliche vor Herausforderungen. Die Ablenkungen durch YouTube und andere Plattformen sind völlig normal, da diese gezielt darauf ausgelegt sind, Aufmerksamkeit zu binden. Die gute Nachricht: Selbstregulation kann man lernen! Hier einige Ansätze, die helfen können:
- Setzen Sie klare Rahmen: Eine strukturierte Routine hilft, Fokuszeiten von Freizeit zu trennen. Zum Beispiel könnte Ihre Tochter 25–30 Minuten konzentriert arbeiten und dann eine 5–10-minütige Pause machen (Pomodoro-Technik). Falls die Schule es zulässt, können Ablenkungen reduziert werden, z. B. durch Browser-Erweiterungen wie «StayFocusd» oder «Cold Turkey», die bestimmte Seiten während der Lernzeit blockieren.
- Unterstützen Sie bei der Selbstreflexion: Sprechen Sie gemeinsam darüber, warum es so schwer ist, sich nicht ablenken zu lassen. Welche Apps oder Seiten ziehen sie besonders an? Wie fühlt sie sich danach? Ziel ist es, ein Bewusstsein für die eigenen Nutzungsgewohnheiten zu schaffen. Auch ein «Medientagebuch» kann helfen, sich selbst besser zu steuern: Wann klappt konzentriertes Arbeiten gut? Wann nicht?
- Ein offener, nicht strafender Umgang mit Ablenkung ist wichtig. Statt YouTube komplett zu verbieten, können Sie gemeinsam überlegen, wann und wie es sinnvoll genutzt werden kann (z. B. gezielt für Lernvideos nach der konzentrierten Arbeitsphase).
- Wenn möglich, könnte Ihre Tochter in einer Lerngruppe oder mit einem Lernbuddy arbeiten – soziale Verbindlichkeit hilft oft, fokussiert zu bleiben.
Ich denke, es geht nicht darum, Ablenkung völlig zu verbieten, sondern ihr Werkzeuge zu geben, sich selbst besser zu steuern. Selbstregulation ist ein Prozess, den Jugendliche mit Unterstützung lernen – und je mehr sie selbst erkennt, warum es sinnvoll ist, desto besser wird es klappen!
Was können wir Primarlehrpersonen tun, damit endlich ernstgenommen wird, was internationale Studien über die Schädlichkeit der digitalen Medien für Kinder schon lange belegen. In der Primarschule ist es reine Zeitverschwendung, die Kinder mit i-Pads zu beschäftigen. Zudem verleiten sie die Schülerinnen und Schüler zu unkontrollierbarem Surfen und Gamen im Internet. Schlaue Kids finden schnell heraus wann die Lehrerin Einblick in «ihren» Bildschirm hat und wann nicht. Wie tragen Sie als Fachleute dazu bei, längst bekannte Einsichten politisch umzusetzen?
Christiane Willemeit: Danke für Ihre Frage – sie zeigt, dass Ihnen das Thema wichtig ist. Zuerst möchte ich etwas differenzieren, dass es nicht per se Zeitverschwendung oder etwas Negatives ist, wenn bereits in der Primarschule iPads eingesetzt werden. Die Verwendung und der Bezug zum Lehrplan (der ja im übrigen auch das Erlernen von Medienkompetenz beinhaltet...) kann kreativ, sinnvoll und produktiv erfolgen. Natürlich ist es aktuell ein Spannungsfeld hinsichtlich Verantwortung und Kompetenzen, in dem sich Eltern und Schule erst zurechtfinden müssen. Wir von Pro Juventute setzen uns dafür ein, dass gesamtgesellschaftlich gemeinsame Regeln für eine verantwortungsvolle Nutzung aufgestellt werden und die Prävention gestärkt wird. Wichtig ist für Pro Juventute auch, dass Unternehmen und Anbieter digitaler Plattformen stärker in die Pflicht genommen werden. Bspw. konnte in der Winterssession Pro Juventute gemeinsam mit Nationalrätin Regina Durrer-Knobel eine Interpellation einreichen, welche sich nach dem Stand der Medienkompetenzförderung erkundigt. Damit wurde erreicht, dass sich der Bundesrat nun auch dazu äussern muss, wie er Kinder und Jugendliche im digitalen Raum schützen und befähigen will.
Welche Handlungsoptionen sehen Sie, wenn Schürler*innen aufgrund von zu viel Medienkonsum oder Sucht zu Schulabsentismus neigen?
Daniel Hürzeler: Vermehrte Absenzen haben meist komplexe Ursachen, ein erhöhter Medienkonsum ist oft nur ein Symptom. Das Problem ist vielschichtiger. Wenn es zu vermehrten Absenzen in der Schule kommt, könnte ein erster Schritt könnte das Gespräch mit der Lehrperson oder der Schulsozialarbeit sein. Falls die Abwesenheiten stark zunehmen, sollte unbedingt professionelle Hilfe eingeholt werden.
Ich bin Primarlehrerin und bei uns ist ein mögliches Handyverbot gerade Thema. Was würden Sie uns empfehlen, wie wir mit dem Thema umgehen sollen. Verbot, Regulation oder eher eine sinnvolle Nutzung?
Christiane Willemeit: Ein generelles Handyverbot (sprich: gesetzlich vorgegeben) halten wir von Pro Juventute nicht für sinnstiftend. Denn Verbote helfen nicht dabei, dass Kinder und Jugendliche den Umgang mit dem Handy lernen, sondern machen das Smartphone noch interessanter. Zudem haben Verbote eine negative Komponente, d. h. dass etwas gefährlich ist und es deshalb verboten ist. Smartphones sind aber nicht per se gefährlich. Aber Kinder und Jugendliche müssen lernen (und dabei begleitet werden), mit den Risiken umzugehen. Das kann im Schultext bspw. eine übermässige Nutzung oder Cybermobbing. Es gibt Schulen, die bereits individuelle Regulierungen umsetzen, d. h. nur an bestimmte Plätze oder zu bestimmten Uhrzeiten, was sich bewährt. Es gibt auch Schulen, die dies partizipativ mit den Schülerinnen und Schüler entwickelt und umgesetzt haben. Wenn man so auch die Schülerinnen und Schüler einbindet und vermitteln kann, dass es um die Stärkung von sozialer Interaktion und der Förderung eines positiven Miteinanders geht, dann ist das Verständnis (und daraus resultierend das Commitment) oftmals grösser.
Herr Hürzeler, danke für die sehr gute Antwort zum Thema Datenschutz. Haben Sie da Lesetipps oder generell noch Tipps, was ich am Phone meines Kindes unbedingt anpassen sollte?
Daniel Hürzeler: Sehr gern geschehen. Eltern finden wertvolle Informationen zum Thema Datenschutz auf jugendundmedien.ch, Pro Juventute oder klicksafe.de. Wichtig ist, Kinder aktiv zu begleiten und ihnen eine vertrauensvolle Anlaufstelle bei Unsicherheiten zu bieten. Empfehlenswert ist zudem, regelmässig die Sicherheits- und Privatsphäre-Einstellungen in sozialen Medien zu überprüfen.
Wie kann man den Kindern beibringen, dass sie so (Bildschirmzeit) Zeit für wichtigeres verlieren?
Christiane Willemeit: «Wichtig» ist ja manchmal auch eine Frage der Perspektive... (mit einem Augenzwinkern)... Aber vor allem, in dem man vorlebt, was man eben mit dieser Zeit anderes machen kann. Die Kinder für etwas anderes begeistern, und dafür braucht es Geduld. Und natürlich auch Interesse, an dem, was Kindern in der digitalen Lebenswelt beschäftigt. Denn so kann man wieder eine Brücke bauen – in den eigenen Offline-Alltag.
Ich sehe immer wieder, wie kleine Kinder schon mit dem Tablet umgehen, oft besser als viele ältere Menschen. Und wenn man das Gerät ihnen wegnimmt, dann drehen sie fast durch. Was halten Sie von der Entwicklung, wo sind wir als Eltern falsch abgebogen? wie können wir das wieder geradebiegen?
Judith Mathez: In der Tat können auch schon Kleinkinder lernen, mobile Geräte und ihre Lieblingsapps gekonnt zu bedienen. In vielen Fällen üben die Bildschirme eine grosse Faszination auf sie aus. Dennoch benötigen sie selbstverständlich die Begleitung durch die Eltern oder Erziehungsberechtigten, damit sie einen guten und gesunden Umgang damit lernen. Ich benutze hier oft das Bild vom Schwimmenlernen: Ein Kind lernt nicht schwimmen, wenn es ein Leben lang vom Wasser ferngehalten wird. Aber wenn wir es einfach ins Wasser werfen, ertrinkt es. Schwimmenlernen ist ein Prozess, der eine sorgfältige und meist jahrelange Begleitung erfordert. Ganz ähnlich ist es beim Umgang mit Handy, Tablet und anderen digitalen Medien. Wichtig sind präsente Eltern (und andere Erwachsene), die eine gute Beziehung zum Kind pflegen, in der die Geräte ein Thema unter vielen sind. Im Idealfall werden Regeln zur Nutzung dieser Geräte gemeinsam ausgehandelt. Es schadet der Beziehung zum Kind nicht, wenn die gemeinsam erarbeiteten Regeln dann auch durchgesetzt werden, auch wenn das im Erziehungsalltag manchmal herausfordernd sein kann.
Dürfen die Schulen handys und smartwatches auf dem schulareal verbieten? Wie ist hier die rechtliche situation?
Judith Mathez: Achtung, hier kommt eine sehr schweizerische Antwort: Das ist in jedem Kanton etwas anders. Es kommt nämlich darauf an, was die Schulordnung oder die kantonale Regelung vorsieht. Generell ist das Ziel aber nicht die Disziplinierung der Schülerinnen und Schüler, sondern das Ermöglichen eines sicheren Schulbetriebs. Was hingegen rechtlich nicht zulässig ist: dass Lehrpersonen oder andere Angehörige von Schulen Smartphones oder Smartwatches über einen Zeitraum von mehreren Tagen beschlagnahmen oder auf den Geräten Inhalte einsehen.
Was gilt es beim Konsum von Inhalten auf Handy und Tablet zu beachten, wenn ein Kleinkind in der Nähe ist? Und ab wann und wie ist es empfehlenswert Kleinkinder erste Erfahrungen mit solchen Medien machen zu lassen?
Christiane Willemeit: Kleinkinder machen auch Erfahrungen mit digitalen Medien, indem sie die Eltern beobachten und so mitbekommen, welchen Stellenwert die Medien für den Familienalltag haben. Grundsätzlich können Kleinkinder noch nicht zwischen dem, was sie auf dem Tablet sehen und der Realität unterscheiden. Wenn man Filme zeigen will, empfehlen sich ruhige, kurze Sequenzen, bis 3 Jahre nur wenige Minuten am Tag. Kleinkindern benötigen vor allem reale Sinneserfahrungen, damit sich ihre Millionen Synapsen im Gehirn verbinden können und nicht verloren gehen.
Im Alltag sollte man so wenig wie möglich vom Handy/ Tablet abgelenkt sein, wenn man mit dem Kleinkind beschäftigt ist. Und wenn, kann man gut kommentieren, was man jetzt macht. Bspw. «Ich rufe das Mami an.» «Ich schreibe jetzt eine Nachricht.»