SRF: Warum hat der Wähleranteil im Tessin derart zugenommen?
Tessin-Korrespondent Alexander Grass: Ich denke, dieser Sprung nach vorne von 27 auf 32 Prozent Wähleranteil ist ein deutlicher Auftrag der Wähler: Die Bürger wollen, dass ihre Parteien die Masseneinwanderungsinitiative umsetzen. Das Tessin hat die Initiative mit rekordhohen 68 Prozent Ja angenommen. Seither hat die Zahl der Grenzgänger aber nochmals zugenommen. Die Berichte über Lohndumping reissen auch nicht ab. Die Wähler von SVP und Lega wollen jetzt konkrete Veränderungen sehen.
Spannend war auch die Frage, ob es der SP gelingen würde, der CVP einen der beiden Nationalratssitze abzujagen.
Das schien aufgrund der Umfragen vor den Wahlen spannend. Die SP hat auf mehr gehofft. Jetzt ist sie enttäuscht. Das Wahlresultat lasse keine Zweifel offen, sei unbefriedigend und es brauche eine Grundsatzdebatte, heisst es von der SP. Ich denke, das Resultat stärkt möglicherweise jene Kreise, die bisher schon sehr kritisch gegenüber dem freien Personenverkehr waren.
Sie haben die Grenzgängerdiskussion angesprochen. Ein spezifisches Tessiner-Thema. War es das dominierende Wahlkampfthema im Tessin?
Ich glaube, das Ausland, Grenzgänger, Dumpinglöhne und das Verhältnis zur EU waren immer die zentralen Politikthemen. Dass sich die SP, die Lega und die SVP darum kümmern ist klar. Aber auch die FDP hat mit dem Thema Arbeit und Würde am Arbeitsplatz mobilisiert.
Die Bevölkerung hat den Eindruck, dass im Tessin zu wenig geschieht. Darum dieses Votum.
Die FDP ist für mehr Arbeitsmarktkontrollen. Das Thema «Verwilderung im Arbeitsmarkt» macht immer wieder Schlagzeilen. Es gab in diesem Jahr Streiks nach Lohnsenkungen aufgrund des harten Frankens.
Diese Woche hat der Bundesrat einen Bericht über die Lage im Tessin vorgelegt. Viel Neues hat man darin nicht gelesen und vor allem auch keine Massnahmen.
Die Bevölkerung hat den Eindruck, dass da zu wenig geschieht. Darum dieses Votum aus dem Tessin.