Um Züge zu kaufen, müssen Bahnunternehmen Geld aufnehmen, Schulden machen und dafür Zinsen bezahlen. Bund und Kantone übernehmen diese Kosten für Züge im Regionalverkehr. Die interne Revisionsstelle des Bundesamtes für Verkehr hat nun herausgefunden: Die Berner Regionalbahn BLS hat jahrelang zu viel Geld vom Staat erhalten für diese Zinskosten.
Gravierende Mängel festgestellt
Das BAV selbst hatte bei den Berechnungen zu wenig genau hingeschaut – «systematisch und gravierend» seien die Mängel, hält die Revisionsstelle fest.
Das ist wenig schmeichelhaft für den Direktor des BAV, Peter Füglistaler: «Selbstverständlich ist das ärgerlich, und selbstverständlich hätten wir das gerne früher entdeckt.» Im Fokus stehen die letzten fünf Jahre. 2014 schloss das BAV mit der BLS eine neue, auf mehrere Jahre angelegte Vereinbarung ab.
Bei dieser komplexen Arbeit hat man die Auswirkungen nicht gesehen, das ist ganz klar ein Fehler.
Für einen Teil der Zugflotte waren die damals vereinbarten Zinskosten deutlich zu hoch. «Wir hätten es genauer überprüfen müssen, aber das Modell wurde von der BLS konzipiert.» Es steckten komplexe Strukturen dahinter, sagt Füglistaler. «Bei dieser doch recht komplexen Arbeit hat man die Auswirkungen nicht gesehen, das ist ganz klar ein Fehler.»
Es gab zu Beginn Warnsignale
Die Verantwortlichen hätten gewarnt sein können. Die Revisionsstelle des BAV hatte vor Abschluss der neuen Vereinbarungen kritische Bemerkungen zu den Zinsberechnungen gemacht. Ganze 29.4 Millionen Franken zu viel hat die BLS seit 2014 vom Staat erhalten. Als Ausgleich kürzt das BAV der BLS nun in den kommenden Jahren die Zahlungen um exakt diesen Betrag.
Es war nie unsere Absicht, zu hohe Abgeltungen zu erwirken.
Die BLS akzeptiert das zähneknirschend. «Wir sind überrascht, dass das Zinsglättungsmodell, das wir seit Jahren anwenden, für ungültig erklärt wird», sagt deren Sprecher Matthias Abplanalp. Zumal es die BLS mit dem BAV ausgehandelt habe. «Es war nie unsere Absicht, zu hohe Abgeltungen zu erwirken.»
Das BAV war zu gutgläubig
Die Sache hätte für die BLS noch schlechter ausgehen können: Laut BAV nämlich erhielt die Bahn auch in den Jahren vor 2014 zu viel Geld, weitere 16 Millionen Franken zu viel. Damals aber galt eine andere Vereinbarung.
Für eine Rückforderung fehlt eine gesetzliche Grundlage. Anders als die Post in der Postauto-Affäre hat die BLS keine Gelder erschummelt. Sie hat weder Zahlen frisiert noch verschleiert. Das BAV war schlicht zu gutgläubig.
Mehr Kompetenzen und mehr Leute
Die erneute Affäre zeige, dass sein Amt mehr Leute brauche, so BAV-Direktor Füglistaler. «Die Kontrolle und die Überwachung müssen gestärkt werden.» Das Bundesamt müsse mit dem gleichen Personal immer mehr subventionierte regionale Bus- und Bahnangebote beaufsichtigen.
Demnächst soll der Bundesrat über mehr Geld und Personal entscheiden. In einem zweiten Schritt bräuchten seine Leute auch mehr Befugnisse in der Aufsicht, sagt Füglistaler: «Wir werden uns auch gesetzliche Anpassungen überlegen und Befugnisse, Transparenz und Zuständigkeiten klären.»
Noch ist offen, ob – wie die BLS – auch weitere Bahn- oder Busunternehmen zu hohe Abgeltungen für ihre Schuldzinsen erhalten haben. Das BAV will nun acht weitere vergleichbare mehrjährige Kostenvereinbarungen analysieren und prüfen, ob auch dort zu viele Staatsgelder geflossen sind.