In den Schränken von Arztpraxen, Spitälern und Apotheken fehlen derzeit Hunderte von Medikamenten. Dazu gehören Antibiotika oder Schmerzmittel. Auch Dutzende Arzneien von Sandoz fehlen.
Es könnten jene Medikamente verschwinden, die nicht rentabel sind.
Enea Martinelli ist Spitalapotheker und führt eine Liste der fehlenden Medikamente. Er fürchtet, dass der Mangel an Sandoz-Produkten bald noch grösser werde – falls der Profit ins Zentrum der Sandoz-Marktstrategie rücke. «Dann könnten Medikamente verschwinden, die nicht rentabel sind», so Martinelli.
Welche Strategie Sandoz als eigenständiges Unternehmen einschlägt, ist nicht bekannt, es gibt nur wenige Informationen zur neuen Sandoz.
Klar ist lediglich, dass die bestehenden Aktionäre von Novartis auch neue Aktien von Sandoz erhalten sollen. Martinelli befürchtet deshalb, dass die Aktionäre von Sandoz auch künftig möglichst grosse Gewinne erwarteten.
Blüht Sandoz jetzt auf?
Neue Chancen für Sandoz erwartet der Analyst Michael Nawarth. Er befasst sich für den Finanzdienstleister Octavian mit Novartis. Unter dem Dach von Novartis habe der Generikahersteller eine Art Mauerblümchendasein gefristet. Aus der Sicht von Novartis sei Sandoz «eine Art Hemmschuh» gewesen.
Nun gebe es mit der neuen Sandoz neue Investitionsmöglichkeiten – für all jene Investorinnen und Investoren, denen beispielsweise die Grundversorgung mit günstigen Medikamenten wichtig sei, und für die hohe Margen nicht an erster Stelle stünden, so Nawarth.
So zuversichtlich sind nicht alle. Politisch stehen Ideen im Raum, die den Bund bei Sandoz zum Mitbesitzer oder zumindest zu einem wesentlichen Mitspieler machen wollen. Das kann man durchaus als Misstrauensvotum gegenüber künftigen Aktionären verstehen.
Soll der Bund bei Sandoz einsteigen
Eine Beteiligung des Bundes findet Thomas de Courten, SVP-Nationalrat und Präsident vom Branchenverband Intergenerika, «eine sehr schlechte Idee».
Bei den Preisen für Generika geht es ausschliesslich nach unten – das wird zu einem Versorgungsengpass führen.
Viel wichtiger seien Rahmenbedingungen wie Steuern und Arbeitsplätze, damit die neue Sandoz von der Schweiz aus erfolgreich agiere. Zudem brauche es Anpassungen in der Preispolitik für Generika.
«Derzeit gibt es bei den Preisen nur die Richtung gegen unten. Das wird zu einem Versorgungsengpass führen», ist er überzeugt. Denn nur ganz wenige Hersteller würden diesen Generika-Markt dann noch attraktiv finden.
Zu tiefe Marge macht Produktion unattraktiv
Den Preisdruck macht auch Stephan Mumenthaler, Direktor von Scienceindustries, dem Verband der Pharma- und Chemieunternehmen, als Hauptursache für den Medikamentenengpass verantwortlich. «Das Problem entsteht dann, wenn es für die Firmen nicht mehr rentabel ist – dann ziehen sie sich vom Schweizer Markt zurück.»
Firmen ziehen sich vom Schweizer Markt zurück, wenn er für sie nicht mehr rentabel ist.
In Krisen oder bei besonderen Engpässen könnte der Staat zwar Massnahmen ergreifen, so Mumenthaler. Doch eine Beteiligung des Bundes bei Sandoz sieht er nicht als «zielführend». Wichtiger seien Massnahmen wie Abnahmegarantien für gewisse Medikamente.
Solche Fragen werden derzeit in der Taskforce des Bundes ebenfalls diskutiert. Ob die neue Eigenständigkeit von Sandoz in diesen Diskussionen eine Rolle spielt, ist nicht bekannt. Die einen hoffen es, die anderen befürchten es.