Schweizer Arbeitgeber investieren zu wenig in Menschen über 55 Jahre – das zeigt eine neue Studie des Versicherungskonzerns Swiss Life. Daniella Lützelschwab ist Leiterin Arbeitsmarkt beim Schweizerischen Arbeitgeberverband.
SRF News: Schätzen Sie das Potenzial von älteren Arbeitskräften auch so gross ein?
Daniella Lützelschwab: Die demografische Entwicklung wird dazu führen, dass die Altersgruppe Ü55 immer grösser wird. Die Gruppe der Jüngeren wird kleiner, während die Gruppe der älteren Erwerbstätigen wächst. Entsprechend kommt ihnen eine enorme Bedeutung zu. Trotz dieses Potenzials stellt Swiss Life den Unternehmen kein gutes Zeugnis aus.
Arbeitgeber verfolgen trotz Fachkräftemangel eine passive Personalpolitik für Ü55. Sehen Sie das auch so?
Wir müssen die Zahlen genau anschauen: Die Erwerbstätigenquote der 55- bis 64-Jährigen hat sich seit 2010 im Vergleich zu anderen Altersgruppen verdoppelt. Das heisst, ältere Mitarbeitende sind ein fester Bestandteil des Arbeitsmarktes und werden zunehmend ein grösserer Teil davon. Das ist ein positiver Trend. Diese Gruppe wird immer besser integriert.
Unternehmen müssen sehen, dass ältere Arbeitskräfte eine wertvolle Ressource sind, die sie dringend brauchen.
Wer über 55 einen Job verliert, braucht länger, um eine neue Stelle zu finden. Wie erklären Sie sich das?
Das Problem, dass Menschen über 55 nach einem Jobverlust deutlich länger suchen, ist bekannt. Darum sensibilisieren wir unsere Mitglieder und die Branchen gezielt dafür. Wir zeigen auf, wie wichtig es ist, dass ältere Arbeitnehmende im Arbeitsmarkt bleiben können. Es geht darum, sie zu befähigen, mitzunehmen und ihre Chancen zu erkennen. Unternehmen müssen sehen, dass ältere Arbeitskräfte eine wertvolle Ressource sind, die sie dringend brauchen.
Was halten Sie von der Forderung nach Altersquoten?
Eine Altersquote lehnen wir ab. Das ist nur eine symbolische Massnahme. Wenn das Ziel sein soll, die Integration älterer Erwerbstätiger zu schützen und zu fördern, kann man das nicht mit einer Quote erreichen.
Was halten Sie von Bewerbungen ohne Altersangabe?
Da habe ich meine Zweifel, ob das viel ändern würde. Denn wenn man Lebensläufe, Abschlüsse und Berufserfahrungen liest, erkennt man oft trotzdem, ob es sich eher um eine jüngere oder ältere Person handelt.
Es gibt nur eine Lösung: Alle müssen mehr miteinander reden.
Was unternimmt der Schweizerische Arbeitgeberverband konkret, damit ältere Arbeitskräfte länger arbeiten können?
Auf der einen Seite ist es wichtig, das Thema in der Branche zu adressieren und Unternehmen dafür zu sensibilisieren, dass es nach wie vor Klischees gibt. Wir betonen die Chancen, die das Potenzial älterer Mitarbeitender bietet. Es geht nicht nur darum, dass wir aufgrund der demografischen Entwicklung darauf angewiesen sind, den wachsenden Anteil älterer Erwerbstätiger einzubinden. Unternehmen sollen die Chancen erkennen und den Erfahrungsschatz schätzen, den diese Mitarbeitenden mitbringen. Der grösste Erfolg liegt darin, wenn in den Unternehmen die Überzeugung wächst, dass ältere Arbeitskräfte ein genauso wertvolles Potenzial darstellen wie jede andere Gruppe.
Oft nimmt die Chefetage an, dass ältere Leute nicht länger arbeiten wollen, während ältere Erwerbstätige denken, die Firma wolle sie nicht länger beschäftigen. Was schlagen Sie vor?
Das ist eigentlich absurd. Weil das Thema nicht angesprochen wurde, hat sich eine Situation ergeben, in der beide Seiten etwas anderes wollen, aber keiner davon weiss. Es gibt nur eine Lösung: Alle müssen mehr miteinander reden.
Das Gespräch führte Karoline Arn.