Russland will kein Öl mehr an Staaten verkaufen, die einen Preisdeckel dafür eingeführt haben. Das hat Präsident Wladimir Putin angekündigt. Konkret geht es um die Staaten der EU und der G7 sowie einige andere westliche Länder. Was ist von der russischen Verlautbarung zu halten? SRF-Wirtschaftsredaktorin Charlotte Jacquemart wertet das als Zeichen, dass Russland mit dem Rücken zur Wand steht.
SRF News: Kein russisches Öl mehr für Staaten, die den Preisdeckel mittragen. Was heisst das für die Ölversorgung in Europa?
Charlotte Jacquemart: Nicht wirklich viel. Europa kauft russisches Öl schon länger nicht mehr. Jedenfalls nicht jenes, das mit Schiffen geliefert wird. Und dieses ist vom Preisdeckel betroffen. Einige osteuropäische Länder wie Ungarn ohne Seezugang beziehen zwar noch russisches Öl via Pipeline.
Bis jetzt hat sich Russland aber nicht getraut, hier den Hahn ganz zuzudrehen. Denn Russland ist finanziell auf die Öleinnahmen angewiesen, um den Staatshaushalt zu alimentieren und natürlich auch, um den Krieg gegen die Ukraine zu finanzieren.
Russisches Öl wird also kaum noch nach Europa verkauft, dafür umso mehr nach Asien. Konnte Russland in diesen Regionen seinen Handel ausbauen?
Zu Beginn des Krieges gegen die Ukraine wohl ja: Seitdem die westlichen Länder aber den Preisdeckel eingeführt haben, ist die Anzahl Länder, die noch russisches Öl importieren, auch in Asien auf ein halbes Dutzend gesunken.
Russland exportiert momentan rund 80 Prozent seines Öls nach Indien, China und in die Türkei. Allerdings zu Preisen, die deutlich unter dem Preisdeckel von 60 Dollar liegen. Obwohl sich diese Länder offiziell nicht an den Preisdeckel halten bzw. gar nicht mitmachen, hat sich der Marktpreis für russisches Öl von selbst unter diese Grenze bewegt.
Also wirkt dieser Preisdeckel oder sind andere Kräfte im Spiel?
Russisches Öl wird schon seit Monaten mit einem grossen Discount gehandelt, weil es nicht mehr so gefragt ist. Zu Beginn des Krieges war der Discount für Ural, so heisst das russische Öl, einige wenige Dollars. Letzte Woche jetzt war ein Fass Ural für bis zu 30 Dollar günstiger zu haben. Natürlich spielt auch mit, dass die Weltkonjunktur momentan nicht gut läuft.
Putin hofft, dass er mit solchen Ankündigungen den Erdölpreis in die Höhe schwatzen kann.
Das heisst, die Nachfrage nach Öl ist sowieso gedämpft, die Öldepots sind überall voll. Das drückt die Preise. Der Ölmarkt hat derzeit eher ein Nachfrageproblem als ein Angebotsproblem. Es gibt genug Erdöl.
Das angekündigte Exportverbot hat also kaum konkrete Auswirkungen. Welches Kalkül steckt denn hinter Putins Ankündigung?
Einerseits hofft Putin, dass er mit solchen Ankündigungen den Erdölpreis in die Höhe schwatzen kann. Denn Russland braucht einen möglichst hohen Erdölpreis, um genügend Staatseinnahmen zu haben. Das russische Budget rechnet mit rund 70 Dollar pro Fass. Je tiefer der Fasspreis, desto grösser das Budgetdefizit in Russland. Russland droht deshalb auch damit, die Ölproduktion zu kürzen, um damit das Angebot zu verknappen.
Bis jetzt haben eben all diese Drohungen aber keinen grossen Effekt. Die Ankündigung Moskaus vom Dienstag zeigt wohl viel mehr auch, dass Russland mit dem Rücken zur Wand steht. Und eben verletzlich ist – bei der Öl- und natürlich auch Gasindustrie.
Das Gespräch führte Vera Deragisch.