Für Schweizer Unternehmen ist der Geschäftsalltag in Russland kompliziert geworden: Es gilt Sanktionen einzuhalten, die Logistik neu zu organisieren und auch grenzüberschreitende Geldüberweisungen sind schwieriger geworden.
Viele dieser Firmen haben viele Jahre lang Zeit und Geld in den Aufbau dieses russischen Marktes investiert.
Das gilt genauso für Grosskonzerne wie ABB oder Nestlé wie auch für kleine, aber hochspezialisierte Firmen. Michael Kühn steht als Berater bei Swiss Global Enterprise in ständigem Austausch mit den Firmen, die Niederlassungen in Russland haben.
Die Organisation unterstützt Schweizer Unternehmen im Ausland: «Viele dieser Firmen haben viele Jahre lang Zeit und Geld in den Aufbau dieses russischen Marktes investiert. Diese Investition möchten sie aufrechterhalten. Zweitens müssen sie abklären, inwiefern sie diese Bestimmungen betreffen.»
Die Verunsicherung ist enorm. Im Moment ist nicht klar, ob und wie es zu Verstaatlichungen kommen würde.
Denn bislang ist nur wenig bekannt über dieses neue russische Gesetz, um ausländische Firmen zu enteignen. Eine wichtige Frage wird etwa sein, was die russischen Behörden als Rückzug einstufen, um dann das Unternehmen zu verstaatlichen.
Entsprechend gross ist im Moment die Verunsicherung, wie Stefan Brupbacher beobachtet. Er ist Direktor beim Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie Swissmem: «Die Verunsicherung ist enorm. Im Moment ist nicht klar, ob und wie es zu Verstaatlichungen kommen würde. Seit Beginn des Krieges haben einige Firmen ihre Geschäftstätigkeit stark reduziert oder ganz eingestellt.»
«Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt»
Dass das Gesetz kommt, ist aber wahrscheinlich. Das sagt Vasily Astrov, Wirtschaftsexperte für Osteuropa am Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche in Wien. Es sei einerseits eine Vergeltungsmassnahme gegen den Westen und andererseits wolle es verhindern, dass viele Angestellte arbeitslos werden. «Wenn so viele westliche Firmen im Dienstleistungsbereich Russland verlassen, kann es gravierende Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben», so Astrov.
Allerdings dürfte sich die Absicht von Russland nur beschränkt erfüllen: Denn Tochtergesellschaften und Filialen von westlichen Firmen sind in der Regel auch abhängig vom Westen. Das zeigt sich insbesondere auch bei den Schweizer Industriefirmen, die in Russland tätig sind, wie Stefan Brupbacher von Swissmem sagt.
Sein Verband vertritt fast 1'300 Unternehmen mit insgesamt 150'000 Angestellten: «Unsere Firmen brauchen technisches Know-how und Ersatzteile. Dies wird fehlen, wenn die Unternehmen verstaatlicht werden.»
Negative Auswirkungen für Russland selbst
Und ganz grundsätzlich dürfte Russland mit einem solchen Schritt ein gigantisches Eigentor erzielen. Fortan werden Schweizer Firmen und viele andere ausländische Unternehmen einen grossen Bogen um Russland machen: «Der Vertrauensverlust in den Standort Russland ist seit dem Kriegsausbruch enorm hoch. Schweizer Unternehmen werden wohl auf Jahre hinaus kaum mehr in Russland investieren.»
Damit sie wieder investieren würden, so Brupacher, bräuchte es eine grundsätzliche Umkehr des politischen Systems, das Ende des Kriegs und die Aufhebung der Sanktionen.
Aktuell müssen die Firmen vor allem mit viel Bürokratie zurechtkommen und Rahmenbedingungen, die sich fast im Tagesrhythmus ändern. Und einige Schweizer Unternehmen wird der Rückzug aus Russland oder gar die mögliche Verstaatlichung auch finanziell schmerzen.
Insgesamt aber ist das Land für die Schweizer Wirtschaft und für viele Firmen eher von geringer Bedeutung. Die meisten Schweizer Unternehmen machen nur 1 bis maximal 3 Prozent ihres Umsatzes in Russland.