Fredy Kosak war schon immer offen für Neues. Der ehemalige Primarlehrer landete nach mehreren Weiterbildungen im Personalmanagement. Seit zwölf Jahren ist er bei der Axa Versicherung in Winterthur als Bereichsleiter tätig. Und seit einem Jahr teilt sich der 54-Jährige diese Aufgabe mit Renata Schwaninger.
Austausch auf Augenhöhe
Was mancher als Machtverlust sehen würde, ist für Kosak ein Fortschritt: «Ich schätze den Austausch auf Augenhöhe mit Renata ungemein. Ich fühle mich entlastet, muss nicht immer alles selber entscheiden. Und es ist extrem bereichernd, ihre Gedanken in die Problemlösung mit einzubeziehen.»
Ich fühle mich entlastet, muss nicht immer alles selber entscheiden.
Topsharing nennt sich diese Arbeitsteilung auf Führungsstufe, in Anlehnung an Jobsharing. Auch für Schwaninger eröffnete das Modell neue Perspektiven. «Ich bin dankbar, dass ich die Möglichkeit habe, eine Führungsrolle auszuführen, welche ich wahrscheinlich mit meinem Teilzeitpensum allein nicht machen könnte», sagt die 45-jährige Betriebswirtin.
Bei ihr und Kosak nimmt die gemeinsame Leitungsfunktion rund drei Tage die Woche in Anspruch. Dazu kommen noch Projekte, die beide je eigenständig führen. Schwaninger kommt so auf ein Pensum von 70 Prozent, bei Kosak sind es 90 Prozent.
Teilzeit wird bei der Axa zwar gross geschrieben, auf Führungsstufe sind die beiden aber die einzigen, die sich eine Stelle teilen. Entsprechend sehen sie sich als eine Art Wegbereiter: «Viele haben Hemmungen, weil sie nicht genau wissen worum es geht. Unsere Erfahrungen – auch, was nicht funktioniert – können helfen, dass wir mehr Mut geben können», so Kosak.
Die Führungsrolle könnte ich mit meinem Teilzeitpensum wahrscheinlich nicht allein machen.
Zu diesen Erfahrungen zählt auch die Erkenntis, wie wichtig klare Ansprechspersonen sind; sowohl für die Belegschaft als auch die Vorgesetzten. Diese Unklarheiten konnten aber schnell aus dem Weg geräumt werden, indem die Aufgaben klarer abgegrenzt wurden. Entsprechend akzeptiert ist das Topsharing-Modell im Betrieb. Das dürfte auch an der offenen Kommunikation des Duos Schwaninger/Kosak liegen – gerade, wenn es sich einmal nicht einig ist. Dann werde das gegenüber dem Team thematisiert.
Sinneswandel bei den Männern
Bei der Axa werden Topsharing- und Teilzeit-Modelle aktiv gefördert. Die Unternehmenskultur sei für die Akzeptanz moderner Arbeitsformen entscheidend, ist Schwaninger überzeugt – und räumt zugleich ein: Ohne den Sinneswandel der männlichen Belegschaft wäre das Unternehmen noch nicht so weit: «Bei der Axa hat es erst so richtig funktioniert, als auch die Männer anfingen, Teilzeit zu arbeiten. Früher war das ein ‹Frauen- und Mütterthema›. Heute haben wir auf allen Hierarchiestufen Teilzeit arbeitende Männer – und das hat enorm geholfen.»
Die Hauptreaktion in meinem Umfeld ist Neid. Die meisten können schlichtweg nicht Teilzeit arbeiten.
Die Axa Versicherung ist aber nur bedingt repräsentativ für andere Unternehmen. Nicht überall ist Teilzeitarbeit bei Männern derart etabliert – das zeigen auch die Reaktionen aus dem privaten Umfeld von Kosak: «Die Hauptreaktion ist Neid. Die meisten können schlichtweg nicht Teilzeit arbeiten, in handwerklichen Bereichen oder auch im Bankenbereich.» Es scheint, als sei die Gesellschaft in Sachen Topsharing und Teilzeit schon einen Schritt weiter als viele Unternehmen.