Die Genossenschaftsräte der Migros haben entschieden: Die über 2.2 Millionen Migros-Genossenschafterinnen und Genossenschafter sollen darüber abstimmen können, ob der Alkohol in die Regale der Migros kommen soll. Alle zehn regionalen Genossenschaften sprechen sich dafür aus.
In einigen Kreisen stösst Alkoholverkauf bei der Migros auf Unverständnis. Das letzte Wort haben aber die einzelnen Genossenschafterinnen und Genossenschafter.
Den Marketingexperten Stefan Michel von der IMD Business School in Lausanne erstaunt das Resultat nicht. Der Alkoholverkauf sei finanziell sehr lukrativ. «Die Aufhebung des Verbots ist eine gute Möglichkeit für die Migros, um Marktanteile zurückzugewinnen.»
Finanziell ist es eine sehr lukrative Initiative.
Aus einer rein wirtschaftlichen Perspektive ergibt der Alkoholverkauf demnach Sinn. Die Konkurrenz tut dies schon lange. Doch könnte der Schritt dem Image der Migros schaden?
Wenn die Migros das Alkoholverbot aufheben würde, könnte dies ein grosses Risiko darstellen für einen Image-Schaden.
Adrienne Suvada sieht das Alkoholverbot als Bestandteil der Marke Migros. Wenn das Unternehmen das Alkoholverbot aufhebe, drohe ein Image-Schaden. Das Verbot sei Teil der Migros-DNA. Eingepflanzt vom Gründer Gottlieb Duttweiler.
Auch wenn der Ursprungsgedanke einer alkoholfreien Migros in vergangenen Zeiten durchaus sinnvoll war oder immer noch wäre: Faktisch sei das Verbot schon lange durchbrochen, sagt Stefan Michel. Denn die Migros verkauft längst Alkohol: im Discounter Denner, in den Migrolino-Shops und auch im Online-Handel. Wenn man beim Alkoholverbot bleiben wolle, dann müsse man konsequent sein, sagt Michel. «Man müsste den Denner verkaufen, und der Alkohol dürfte auch über andere Kanäle nicht weiter verkauft werden.»
So einleuchtend die wirtschaftlichen Argumente wirken, so sicher sind sich die Gegner des Alkoholverkaufs, dass es aus ethischer Sicht keine zwei Meinungen gibt. Die Migros sei der letzte verbleibende Ort, an dem Suchtgefährdete nicht in Versuchung geraten, aus einem Impuls heraus Alkoholhaltiges zu kaufen.
Aus Erfahrungsberichten weiss man, dass Leute, die in Versuchung kommen, nicht widerstehen können und rückfällig werden.
Philipp Hadorn, Präsident des Blauen Kreuzes, sagt, die Gefahr bestehe in der Gelegenheit zum Kauf. Empirische Daten zum Suchtverhalten bei Suchtgefährdeten, die sich im Laden bewegen, gebe es für die Schweiz zwar kaum. Aber: «Aus Erfahrungsberichten weiss man, dass Leute, die in Versuchung kommen, nicht widerstehen können und rückfällig werden. Das sind leidvolle Geschichten, die man zu Hunderten kennt.»