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Börsen-Turbulenzen USA: Rezession oder «soft landing»?

Seit dem Einbruch der Aktienkurse zu Beginn des Monats geistert es wieder herum: Das Rezessions-Gespenst. Droht die grösste Volkswirtschaft der Welt tatsächlich zu schrumpfen? Von SRF News befragte Schweizer Ökonomen und Analysten glauben eher nicht daran. Aber Risiken gibt es allemal.

Von einer Rezession sprechen Ökonomen, wenn die Wirtschaftsleistung eines Landes zwei Quartale in Folge schrumpft. Die USA als wichtiger Handelspartner, auch für die Schweiz, stehen derzeit unter besonderer Beobachtung.

Bei Anlegerinnen und Anlegern kam nach den neusten US-Arbeitsmarktzahlen am 2. August plötzlich die alte Sorge wieder auf, die US-Wirtschaft könnte womöglich doch in die Rezession rutschen. So war etwa die Anzahl neu geschaffener Stellen niedriger als erwartet. Zudem stieg die Arbeitslosenquote.

«Überreaktionen» am Aktienmarkt

Stefan Frischknecht, Aktien-Spezialist bei Schroders Schweiz, sagt: «Es ist verständlich, dass die Aufmerksamkeit nun wieder auf die US-Konjunktur gelenkt wurde. Ich denke aber, dass nach einer so kurzen Börsenkorrektur die Wahrscheinlichkeit einer Rezession nicht deutlich zugenommen hat.» Und darum bleibt er bei der Einschätzung, dass eine Rezession «eher unwahrscheinlich» sei.

Ein Börsenhändler läuft vor Monitoren an der New Yorker Börse durch.
Legende: Reuters/Brendan McDermid (Symbolbild)

Thomas Stucki, Anlagechef der St. Galler Kantonalbank, und Thomas Heller, Anlagechef bei der Frankfurter Bankgesellschaft, teilen diese Ansicht. Sie sprechen beide von einer «Überreaktion» am Aktienmarkt. Die präsentierten Arbeitsmarktzahlen seien zwar schwächer gewesen als erwartet, aber zu wenig dramatisch, dass man daraus eine Rezessionsgefahr ableiten könne. Vielmehr gehen die Ökonomen davon aus, dass den USA ein «soft landing» gelingt, dass die Wirtschaft also sanft auf dem Boden der neuen Realität landet.

Der private Konsum ist entscheidend

Pessimistischer äussert sich Matthias Geissbühler. Er macht in den USA ein «erhöhtes Risiko» eines stärkeren Wirtschaftsabschwungs aus. Rezession oder «soft landing»? «Die Chancen stehen 50:50», sagt der Raiffeisen-Anlagechef.

Problematisch sei, dass sich die Konsumentenstimmung zuletzt verschlechtert habe. Dank staatlicher Finanzhilfe während Corona hätten die US-Bürgerinnen und -Bürger lange Zeit munter weiterkonsumieren können. Dieses Geld sei jetzt aufgebraucht und viele müssten den Gürtel wieder enger schnallen. Der Konsum macht in den USA mehr als 70 Prozent der Wirtschaftsleistung aus.

Es gibt sie also, die warnenden Stimmen. Aber die vorherrschende Mehrheitsmeinung der Ökonominnen und Ökonomen scheint klar: Ja, die Wirtschaft in den USA dürfte sich abschwächen. Aber nein, eine Rezession ist nicht das wahrscheinlichste Szenario.

Und darum glauben viele auch, dass sich die US-Notenbank FED erlauben kann, mit wirtschaftsstimulierenden Zinssenkungen zuzuwarten. Ob die Experten Recht behalten, wird sich zeigen. Auch beim Thema Rezession gilt das berühmte Zitat: «Prognosen sind schwierig, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen.»

Tagesschau, 09.08.2024, 19:30 Uhr

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