Vor wenigen Tagen war die Börsenwelt weitgehend in Ordnung. Es hiess, die US-Notenbank Fed werde rechtzeitig handeln. Sie werde im September ihre Leitzinsen senken – erstmals nach einer langen Reihe von Zinserhöhungen, mit denen sie die Inflation bekämpft hatte. Die baldige Zinslockerung würde es erlauben, dass Firmen und Private leichter an Kredite kommen. Wenig Grund also, sich ernsthaft um die Konjunktur in den USA und die Gewinnaussichten der Unternehmen zu sorgen.
Dann kam einiges anders als gedacht: Schlechte Unternehmenszahlen von Tech-Riesen wie Intel und Amazon drückten auf die Stimmung. Nervös fragten sich Investoren und Investorinnen, ob man es in letzter Zeit zu weit getrieben habe mit dem Kauf von Tech-Aktien, fasziniert vom Potenzial der Künstlichen Intelligenz in diesem Sektor. Ernüchterung machte sich breit. Auch die geopolitische Sicherheitslage weckte neue Bedenken; Stichwort Nahost-Konflikt.
Alarm wegen Arbeitsmarkt
Richtig ins Rutschen kamen die Börsen weltweit, als am Freitagnachmittag Schweizer Zeit die neuen US-Arbeitsmarktdaten vorlagen: Im Juli gab es weniger neue Stellen; die Arbeitslosigkeit nahm zu. Die Angst kam auf, dass es die US-Notenbank bereits verpasst hat, ihre Zins-Zügel zu lockern, bevor die Wirtschaft in eine Rezession schlittert. Kommentatoren schlugen Alarm: Nun müssten die Notenbanker die Zinsen beherzt senken. Und dies, obschon brüske Zinsmanöver im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen Anfang November heikel sind. Sie könnten als Wahlbeeinflussung interpretiert werden.
Die neue Ausgangslage ist somit schwierig. Worauf sollten sich die Anleger und Anlegerinnen einstellen? Wie geht es mit der Zinspolitik in den USA weiter, wie mit den Firmenresultaten der erfolgsverwöhnten Tech-Industrie? Ist nun die Flucht in sichere Finanzanlagen angesagt, etwa in Gold, oder in US-Staatsanleihen?
US-Notenbank gefordert
Oder liegt der prominente US-Ökonom und Nobelpreisträger Paul Krugman richtig? Er kommentierte auf X ironisch: Die schwachen Arbeitsmarktdaten hätten genauso gut die Börse anfeuern können. Schliesslich stimuliere die Hoffnung auf kräftige Zinssenkungen häufig die Märkte. Das war in der Vergangenheit tatsächlich oft so. Unter anderem, weil niedrigere Zinsen die Konjunktur stützen und die Gewinne der Unternehmen stärker wachsen lassen.
Nun müssen die Marktteilnehmerinnen und Experten erstmal die Lage neu einschätzen. Gut möglich, dass sich die Börsen vom jüngsten Schrecken rasch erholen. Viel hängt davon ab, wie die weiteren US-Konjunkturdaten ausfallen. Und wie geschickt die US-Notenbank über ihre Zinspolitik in den kommenden Wochen kommuniziert.