In den vergangenen Wochen haben diverse Firmen ihre Halbjahresabschlüsse präsentiert und die Erwartungen der Analystinnen übertroffen. Taugen die Prognosen nichts mehr, fragen sich nun viele. Grob verschätzt haben sich die Analysten beispielsweise bei Kühne und Nagel, Roche, Novartis, aber auch bei Richemont und einigen Industriefirmen wie ABB. Die Prognosen der Analystinnen und Analysten sind wichtig und viele Anleger und Anlegerinnen orientieren sich daran.
Das ist etwas, das in der Geschichte in der Form noch nicht vorgekommen ist – zumindest nicht in der Nachkriegszeit.
Der Chefstratege der Zürcher Kantonalbank (ZKB), Manuel Ferreira, nimmt die Analystinnen und Analysten in Schutz. Die Unsicherheit rund um die Pandemie habe Prognosen erschwert: «Das ist etwas, das in der Geschichte in der Form noch nicht vorgekommen ist – zumindest nicht in der Nachkriegszeit. Insofern gab es da keine Erfahrungswerte und die Unsicherheit auch mit dem Impferfolg waren alles Faktoren, die dazu geführt haben, dass die Prognosesicherheit sehr reduziert war.»
Zudem wurden die Firmenleistungen auf Basis des Covidjahres 2020 abgeschätzt. Das erste Halbjahr 2020 aber war von massiven Geschäftseinbrüchen verzerrt gewesen, weil ja fast alles stillstand. Laut der Agentur AWP haben vier von fünf Firmen im ersten Halbjahr deutlich mehr Umsatz gemacht als prophezeit.
Auch Gewinne falsch eingeschätzt
Die Analysten und Analystinnen haben sich auch beim Gewinn verhauen. Zwei von drei an der Schweizerbörse kotierten Unternehmen verdienten unter dem Strich viel mehr als vorausgesagt. Auch die Analysten der ZKB seien von den guten Ergebnissen überrascht worden, sagt Manuel Ferreira.
Uns hat weniger die Erholungsfähigkeit der Wirtschaft und der Unternehmen überrascht.
Allerdings betont der ZKB-Chefstratege: «Uns hat weniger die Erholungsfähigkeit der Wirtschaft und der Unternehmen überrascht. Davon waren wir eigentlich überzeugt und zuversichtlich. Es war viel mehr die Geschwindigkeit, in der sich die Konjunktur und somit auch die Umsätze der Unternehmen erholt haben.»
Der ZKB-Stratege glaubt, dass viele Firmen auch im zweiten Halbjahr überdurchschnittlich wachsen werden, wenn auch langsamer. Die Börse allerdings dürfte bis Ende Jahr nicht mehr gleich zulegen wie im ersten Halbjahr, weil sie seit anfangs Jahr schon kräftig zugelegt hat.