Ein Grund, warum sich die Schweiz für die grösste Volkswirtschaft im arabischen Raum interessiert, sind die riesigen Öl-Exporte der Saudis. Allerdings gelangt Erdöl aus Saudi-Arabien nur indirekt in die Schweiz, in verarbeiteter Form. Die Schweiz selbst importiert kein saudisches Rohöl.
Und auch für den Zwischenhandel mit dem schwarzen Gold spielt die Schweiz als Rohstoff-Handelsplatz keine Rolle. Dafür kommen viele Touristen aus dem Golfstaat hierher.
Etwa ins Berner Oberland, ins Wallis und in anderen Schweizer Topdestinationen: Saudische Gäste seien dort besonders beliebt. Dies in finanzieller Hinsicht, wie André Aschwanden von Schweiz Tourismus sagt.
Ausgaben von 420 Franken pro Tag
Denn die Saudis würden mehr als doppelt so viel Geld ausgeben in der Schweiz als der durchschnittliche Tourist: «Wenn man weiss, dass die Tagesausgaben dieser Gäste mit 420 Franken so hoch sind wie von keiner anderen Gästegruppe, dann sieht man, dass da eine sehr wichtige und grosse Wertschöpfung für Tourismus zusammenkommt.»
Schweiz Tourismus bewirbt das Land deshalb aktiv. Kein Wunder stieg über die letzten Jahre die Zahl der Gäste aus Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten stetig an. Es ist ein Wachstumsmarkt. Die Golfstaaten machen inzwischen 2,5 Prozent der gesamten Erträge im Schweizer Tourismus aus.
Auch Spitäler und Banken profitieren
Nicht nur als Hotelgäste und beim Shopping von Schmuck, Uhren und anderen Luxusgütern sind Reisende aus Saudi-Arabien von Bedeutung. Auch als Patienten sind sie ein Wirtschaftsfaktor. Gut betuchte Saudis lassen sich mit Vorliebe in Schweizer Spitälern behandeln. «Sehr relevant» seien diese Patienten aus dem Mittleren Osten, bestätigt Aschwanden.
Und natürlich wissen auch die Banken die vermögende Kundschaft aus dem Königreich am Golf zu schätzen. Verlässliche Zahlen zu saudischen Geldern auf Schweizer Bankkonten gibt es nicht. Aber klar ist: Die Banken bauen ihre Beziehungen zu dieser Klientel stetig aus. Denn sie wissen: Die Vermögen der Reichen und Superreichen im Mittleren Osten wachsen und wachsen.
Die Banken müssen dabei aber auf ihre Reputation achten. Und das tun sie auch: So hat CS-Chef Tidjane Thiam entschieden, als Reaktion auf den Tod des saudischen Journalisten Jamal Kashoggi nun doch nicht an eine wichtige Investorenkonferenz in der saudischen Hauptstadt Riad zu reisen.
Nur 0,6 Prozent der Schweizer Exporte
Auch die Schweizer Exportwirtschaft kann der Fall Khashoggi nicht kalt lassen. Jan Atteslander vom Wirtschaftsdachverband Economiesuisse sagt: «Die Affäre hat sicher das Potential, zu Problemen zu führen, nämlich dann, wenn die Politiker im Westen beginnen, Wirtschaftssanktionen zu verhängen.»
Insgesamt, wenn man die Zahlen absolut betrachtet, ist es kein entscheidender Markt.
Noch sei es aber nicht soweit. Abgesehen davon sei Saudi-Arabien in der Golfregion der zweitwichtigste Absatzmarkt für die Schweizer Exportindustrie, sagt Atteslander. Doch: «Insgesamt, wenn man die Zahlen absolut betrachtet, ist es kein entscheidender Markt.» Konkret sind es Güter für knapp zwei Milliarden Franken, die die Schweiz 2017 nach Saudi-Arabien exportierte.
Das sind lediglich 0,6 Prozent aller Schweizer Exporte. Zum Vergleich: Nach Deutschland geht mehr als das Zwanzigfache, nach China rund das Zehnfache. Im Handel mit Saudi-Arabien fallen die Pharmabranche, die Maschinenindustrie sowie Schmuck und Uhren am stärksten ins Gewicht. Nicht erstaunlich, sind dies doch typische Schweizer Exportbranchen.
Konkreter Schaden erst bei Sanktionen
Am umstrittensten sind die Waffenexporte der Schweiz nach Saudi-Arabien. Sie betrugen letztes Jahr 4,8 Millionen Franken. Das entspricht knapp 0,3 Prozent der gesamten Schweizer Rüstungsausfuhren, die vom Bund im vergangenen Jahr erfasst worden sind. Entscheidend ist nun, wie es auf der politischen Ebene weitergeht, sagt Atteslander von Economiesuisse.
«Sollte sich Saudi-Arabien erklären können, und der Westen das auch akzeptieren, sollte das in den Wirtschaftsbeziehungen nicht zu messbaren Effekten führen», so Atteslander. «Aber sollten sich Sanktionen ergeben, die auch die Wirtschaft treffen, dann haben wir einen konkreten Schaden.» Anders gesagt: Die Schweizer Wirtschaft kann die Affäre nicht auf die leichte Schulter nehmen.