Der zweitgrösste Immobilienkonzern Chinas, Evegrande, steht vor dem wirtschaftlichen Kollaps. Viele Chinesen bangen um ihr Geld, das sie in geplante Wohnhäuser des Unternehmens gesteckt haben. Ausserdem hängen Arbeitsplätze von rund 200'000 Menschen direkt von Evergrande ab. Notenbanken verfolgen die Krise sorgenvoll.
Die in den vergangenen Wochen schwer gebeutelten Aktien von China Evergrande sprangen am Donnerstag um 18 Prozent nach oben. Zeitweise stieg der Titel um über 30 Prozent. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Zitterpartie um den Krisenkonzern.
Ist Evergrande nach den Kursgewinnen über dem Berg? Nein. Diese Kursanstiege sind darauf zurückzuführen, dass sich der Konzern mit Gläubigern über die Zinszahlung einer am Donnerstag fälligen Anleihe geeinigt hat. Dazu kommt, dass die Aktie zuvor sehr tief gefallen war und damit zu einem Spekulations-Titel geworden ist. Die Käufer wetten darauf, dass der Staat den Konzern rettet.
Würde die chinesische Regierung Evergrande retten? Beobachter gehen davon aus, dass der Staat zumindest verhindern wird, dass Wohneigentümer und Kleinanleger im grossen Stil zu den Geprellten werden. In China sind zwei Drittel der Vermögen in Immobilien angelegt. Evergrande schuldet Kleinanlegern, darunter vielen Mitarbeitern, mehrere Milliarden Dollar. Der Konzern unterhält aber auch zahlreiche Tochtergesellschaften und Beteiligungen in anderen Bereichen, wie Lebensmittel, Versicherung, Fahrzeuge. Alle Sparten von Evergrande wird der Staat nicht retten wollen.
Welche Auswirkungen hätte ein Kollaps für die Schweiz? Anfang Woche fielen die Kurse an den Börsen weltweit, als bekannt wurde, dass Evergrande 300 Milliarden Dollar Schulden hat. Betroffen waren insbesondere Bankentitel, wie jene der Credit Suisse und der UBS. Es war nicht klar, ob und wie stark die Banken mit dem chinesischen Konzern verflochten sind. Mittlerweile haben sich die Börsen von diesem Schock erholt.
Die meisten Experten gehen nicht davon aus, dass ein möglicher Kollaps von Evergrande ein Erdbeben in der Finanzwelt auslösen würde. Laut dem Präsidenten der US-Notenbank, Jerome Powell, fehlt es dazu an den finanziellen Verflechtungen zwischen Chinas Immobilien-Sektor und dem amerikanischen Finanz-System. Inwieweit eine Evergrande-Pleite China in eine tiefgreifende Krise stürzen könnte und was dann die Folgen für die Weltwirtschaft wären, bleibt allerdings schwierig abzuschätzen.
Wie geht es weiter? Evergrande versucht weiter, die Ängste zu zerstreuen. Der Vorstandsvorsitzende Xu Jiayin betonte in einer Sondersitzung, es habe oberste Priorität, Kunden von Vermögensprodukten auszuzahlen. Auch müsse alles dafür getan werden, den Bau von nicht fertiggestellten Wohnungen wieder aufzunehmen und die Interessen der Eigentümer zu schützen. Wie er das tun will, bleibt offen. Der zweitgrösste Aktionär von Evergrande, die Chinese Estate Holdings, teilte heute mit, man wolle die Beteiligung an Evergrande komplett auflösen.