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Cloud Computing 30 Jahre Amazon: Vom Buchhändler zum grössten Rechenzentrum

Der grösste Onlinehändler ist auch beim Cloud Computing an der Spitze. Wie aus einem Buchladen ein IT-Gigant wurde.

Jeff Bezos fuhr mit seiner damaligen Frau McKenzie von der Ostküste quer durch Amerika nach Seattle. Sie sass am Steuer, er schrieb auf dem Rücksitz den Businessplan für einen Online-Buchladen. Am 5. Juli 1994 gründete er die Firma «Amazon».

Bezos hatte gerade einen lukrativen Job an der Wallstreet aufgegeben, weil er überzeugt war: Die Zukunft liegt im Internet. Er hatte recht. Bereits 2001 setzte Amazon 1.6 Milliarden Dollar um.

Wachstum wird zum Problem

Zuerst verkaufte der Onlineshop Bücher, dann CDs, DVDs und Spielsachen. Bei neuen Produkten musste oft die Software des Shops angepasst werden, sagt Steve Yegge, damals Programmierer bei Amazon: «Für Handys musste man den Provider, den Vertrag und das Zubehör erfassen können.»

Mann hält eine Computermaus vor einem Bildschirm mit Amazon-Webseite.
Legende: Jeff Bezos im Jahr 2000: Sein Onlinegeschäft setzte nur sieben Jahre nach der Gründung schon 1.6 Milliarden Dollar um. Imago / Wolfgang Maria Weber

Vor einer Anpassung mussten oft Spezialisten in der IT-Abteilung Änderungen an der Datenbank vornehmen oder neue Server einrichten – eine repetitive Arbeit, die viel zu lange dauerte. Jeff Bezos verlor seine Geduld.

Der interne Online-Shop

Ein Team unter der Leitung des heutigen CEO Andy Jassy begann 2003 die Arbeit an einem internen Onlineshop, der die IT-Abteilung weitgehend ersetzen sollte.

Mit dem Klick auf einen Button konnten nun Entwickler in Minuten einen neuen Server einrichten oder eine Datenbank bestellen.

Das System funktionierte so gut, dass sich Jassys Team sagte: Warum verkaufen wir diese Dienste nicht externen Firmen, die die gleichen Probleme haben? 2006 nahm Amazon Web Services (AWS) den Betrieb auf.

An AWS führt kein Weg vorbei

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Wir benutzen meist AWS-Dienste, ohne dass wir es merken. Hier ein paar Beispiele für bekannte Firmen, deren Angebot auf AWS läuft:

  • Meteo Schweiz
  • Die Post
  • Tutti
  • Bern Mobil
  • Netflix
  • Games wie «Fortnite»

Effizientere Nutzung

Das löste ein weiteres Problem. Da Amazon die IT-Infrastruktur für den Ansturm vor Weihnachten auslegte, liefen die Rechner für den Rest des Jahres meist auf Sparflamme. Über den neuen Shop konnte AWS die ungenutzten Kapazitäten an externe Unternehmen verkaufen.

Die Preise schwankten je nach Auslastung, erklärt Christoph Schnidrig, Head of Technology bei AWS Schweiz: Pharmafirmen etwa berechnen DNS-Analysen dann, wenn der Preis tief ist. Wird es teuer, so stoppen sie die Berechnung und warten auf die nächste Gelegenheit.

Gleich lange Spiesse

Heute bietet AWS 240 verschiedene Dienste an: vom Speicherplatz über raffinierte KI-Werkzeuge bis zum pfannenfertigen Call-Center. Zur Nutzung braucht man lediglich einen Browser und eine Kreditkarte. Davon profitieren alle gleichermassen, vom Studenten im Wohnheim bis zum internationalen Grosskonzern. Cloud Computing hat die IT-Landschaft demokratisiert und die Digitalisierung beschleunigt wie kaum eine andere Erfindung.

Messestand von Amazon Web Services in China.
Legende: 2006 wurde «Amazon Web Services» gegründet, heute ist AWS weltweit tätig. IMAGO / NurPhoto

Mit ein paar Jahren Verspätung sind nach AWS (31 Prozent Marktanteil) auch Microsoft (Azure, 25 Prozent) und Google (GCP, 11 Prozent) ins Geschäft mit Rechenzentren eingestiegen.

Die Cloud kann vieles besser

Doch begibt man sich nicht in eine Abhängigkeit, wenn man seine Infrastruktur zugunsten der Cloud aufgibt?

Die Frage lässt sich kaum beantworten, denn Abhängigkeiten bestehen in vielen Bereichen:

  • Stromversorgung: Rechenzentren verfügen über Verträge mit Brennstofflieferanten und können so ihre Generatoren beliebig lange laufen lassen, für ein KMU viel zu teuer.
  • Sicherheit: Die grossen Cloud-Anbieter können sich die besten Sicherheitsexpertinnen leisten; AWS betreibt ein eigenes verschlüsseltes Netzwerk mit Unterseekabeln. Selbst für einen Grosskonzern ist es schwierig, da noch mitzuhalten.

Steve Yegge meint, dass man kaum eine Alternative habe. Wichtig sei aber, dass es mehr als einen grossen Anbieter gebe.

SRF3, 04.07.2024, 16:10 Uhr; sche

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