Für den Präsidenten des Arbeitgeberverbandes, Valentin Vogt, ist der Fall klar: Wenn ein Unternehmen für Ungeimpfte andere Schutzmassnahmen erlässt und diese beispielsweise in einem anderen Raum Mittagessen müssen, ist das keine Diskriminierung.
Vogt betont: «Die Arbeitgeber sind in einem Zielkonflikt: Zum einen wollen sie sicherstellen, dass Mitarbeitende mit einem Covid-Zertifikat von Erleichterungen profitieren können, zum anderen sind sie gesetzlich verpflichtet, Angestellte noch ohne Zertifikat zu schützen.»
Die Arbeitgeber sind in einem Zielkonflikt.
Es gibt bereits einzelne Firmen, die Geimpften am Arbeitsplatz mehr Freiheiten gewähren als Ungeimpften und für sie zum Beispiel die Maskenpflicht aufheben.
Gewerkschaft Unia widerspricht
Das sei hochproblematisch, findet Serge Gnos von der Gewerkschaft Unia: «Es geht den Arbeitgeber gar nichts an, ob ich mich impfen lasse oder nicht. Das ist per Gesetz Teil der Privatsphäre. Entsprechend wäre eine unterschiedliche Behandlung je nach Impfstatus unzulässig.»
Es geht den Arbeitgeber gar nichts an, ob ich mich impfen lasse oder nicht. Das ist per Gesetz Teil der Privatsphäre.
Die Rechtslage sei allerdings nicht so eindeutig, wie das die Gewerkschaft Unia darstelle, sagen Arbeitsrechtsexperten. Zwar gibt es das Ampelsystem des Bundesrates. Dort gilt der Arbeitsplatz als «grüner Bereich». Das heisst, dass Arbeitgeber Angestellte nicht fragen dürfen, ob sie geimpft sind.
Experten sehen Spielraum gegeben
Daneben gebe es aber gesetzliche Bestimmungen, die Arbeitgeber verpflichteten, ihrer Fürsorgepflicht nachzukommen, erklärt Roger Rudolph, Professor für Arbeitsrecht an der Universität Zürich: «Gerade mit Blick auf Schutzkonzepte braucht es möglicherweise diese Information. Es kommt also sehr auf den Einzelfall an und die Tätigkeit, die jemand ausübt.»
Gerade mit Blick auf Schutzkonzepte braucht es möglicherweise diese Information.
Für gerechtfertigt hält Rudolph zum Beispiel, wenn ein Spital nur noch Geimpfte anstellt. Nicht angemessen sei hingegen, einem alleine in einem Raum arbeitenden Angestellten eine Maskenpflicht aufzuerlegen.
Steigender Druck auf Ungeimpfte?
Thomas Bösch, Anwalt aus St. Gallen, sieht das ähnlich. Unternehmen müssten nicht nur auf die Ungeimpften Rücksicht nehmen, sondern auch auf die Geimpften und entsprechend für diese die Schutzmassnahmen lockern können: «Alle Mitarbeitenden haben auch einen Anspruch darauf, dass man ihre Freiheiten am Arbeitsplatz nicht unnötig einschränkt.»
Unia-Kommunikationschef Gnos hält nichts von dieser Unterscheidung. Ungeimpfte könnten unter Druck kommen, sich zu impfen, wenn sie im Gegensatz zu Geimpften beispielsweise weiterhin eine Maske tragen müssten. Das dürfe nicht sein – schon gar nicht am Arbeitsplatz. Im Freizeitbereich – etwa in Restaurants oder Kinos – sei das etwas anderes.
Verhältnismässige Lösungen – keine Diskriminierung
Dass in einer derartigen Situation Druck entstehen kann, verneinen auch die beiden Arbeitsrechtsexperten nicht. Doch damit müssten die Ungeimpften wohl leben, sofern die unterschiedlichen Regeln für Geimpfte und Ungeimpfte verhältnismässig seien, sagt Rudolph.
«Demütigende Aktionen im Unternehmen, etwa eine schwarze Liste mit den noch Ungeimpften, müsste man sich sicher nicht gefallen lassen» ergänzt Rudolph. Im Normalfall aber könnten Ungeimpfte wohl nicht viel dagegen tun, wenn sie sich an strengere Massnahmen halten müssten.
Demütigende Aktionen, etwa eine schwarze Liste mit den noch Ungeimpften, müsste man sich sicher nicht gefallen lassen.
Auf jeden Fall tun die Arbeitgeber gut daran, die Corona-Schutzmassnahmen mit den Angestellten und den Gewerkschaften abzusprechen. Sonst könnten sich bei der Rückkehr an den Arbeitsplatz nach den Sommerferien die Konflikte mehren.