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Covid-Zertifikat Zertifikatspflicht am Arbeitsplatz: Unternehmen warten ab

Unternehmen dürfen neu von ihren Angestellten ein Zertifikat verlangen. Doch das Werkzeug wird nur zögerlich eingesetzt.

Die Durchimpfungsrate in der Schweiz ist nach wie vor zu tief, um einen Anstieg an Corona-Infektionen zu verhindern. Auf dieser Basis hat der Bundesrat am Mittwoch nach Österreich, Frankreich, Italien und Deutschland nun auch für die Schweiz eine Ausweitung der Zertifikatspflicht eingeführt.

Der Schritt war erwartet worden. Doch jetzt zeigt sich, dass die Unternehmen die neuen Werkzeuge erst zögerlich anwenden werden. In der Freizeit wird es für Schweizerinnen und Schweizer ab kommenden Montag an vielen Orten ohne Covid-Zertifikat keinen Zutritt mehr geben. Am Arbeitsplatz hingegen bleibt dies wohl uneinheitlich: Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber dürfen ab Montag ein Zertifikat verlangen, können aber auch an ihrem bisherigen Schutzkonzept festhalten.

Arbeitgeber dürfen Zertifikat nutzen

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Ein Arbeitgeber kann für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Rahmen seiner Fürsorgepflicht das Vorliegen eines Zertifikats verlangen (zum Beispiel in Spitälern). Laut Bundesrat darf es zu keiner Diskriminierung zwischen geimpften und genesenen sowie ungeimpften Arbeitnehmenden kommen.

Gilt eine Zertifikatspflicht für Angestellte, muss das Unternehmen regelmässig Tests anbieten oder die Testkosten übernehmen, wenn er keine repetitiven Tests anbietet. Falls der Arbeitgeber differenzierte Massnahmen vorsieht (z.B. Maskentragen oder Home-Office für Personen ohne Zertifikat), muss der Arbeitgeber die Testkosten nicht übernehmen.

Ob mit oder ohne Zertifikat – Unternehmen haben grosses Interesse daran, dass ihre Angestellten sich impfen lassen: Die Prämien für Krankentaggelder sind zuletzt gestiegen, angesteckte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kosten Zeit und Geld, und die Corona-Tests für die Ungeimpften müssten die Firmen bald selber finanzieren.

Eine Bratwurst für die Impfung

Wie bereits aus dem Ausland bekannt, setzen auch in der Schweiz einige Unternehmen auf Impf-Anreize. Impfstrassen werden auf Firmengeländen aufgebaut und Bratwürste verteilt. 

Die Casino-Betreiberin Swiss Casinos zahlt ihren Angestellten 200 Franken bar auf die Hand, wenn diese sich impfen lassen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei der Berner Warenhausgruppe Loeb erhalten einen Gutschein im Wert von 250 Franken, solche beim Modegeschäft Tally Weijl erhalten neben arbeitsfreier Zeit für die Impfung einen zusätzlichen freien Tag.

Um eine möglichst hohe Impfrate zu erreichen, steht den Unternehmen mit dem Zertifikat ab Montag ein weiteres Druckmittel zur Verfügung, um die Impfungen attraktiver zu machen. Eine Zertifikatspflicht bringt für viele auch die Möglichkeit zur Lockerung von anderen Schutzmassnahmen.

Unterschiedliche Handhabung

Wie grossflächig eine solche in Schweizer Unternehmen überhaupt zur Anwendung kommen wird, ist noch unklar. Grosse Schweizer Unternehmen gehen unterschiedlich an die Zertifikatsfrage heran:

  • Die Migros führt keine Zertifikatspflicht für ihre Angestellten ein. Das bisherige Schutzkonzept habe sich bewährt, man habe nicht mehr Krankheitsfälle verzeichnet als in anderen Jahren.
  • Die UBS führt eine Zertifikatspflicht für externe und interne Events in Innenräumen ein, für die Büros gelte die Pflicht aber vorerst nicht.
  • Die SBB hat noch keine Entscheidung getroffen und will den Bundesratsentscheid noch analysieren.

Wie bei der SBB handhaben zurzeit wohl viele Unternehmen das neue Instrument: vorerst mit einer Änderung des Schutzkonzeptes zuwarten und den Entscheid des Bundesrates prüfen.

Ähnlich offen tönt es auch beim Arbeitgeberverband: «Aus heutiger Optik ist es schwer zu sagen, wie viele und welche Unternehmen vom Zertifikat Gebrauch machen werden», sagt Direktor Roland Müller. Man sei aber froh um die zusätzliche Variante für das Schutzkonzept.

Tagesschau, 9.9.21, 19:30 Uhr

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