Die Spekulationen über die Zukunft der Credit Suisse reissen auch in der neuen Woche nicht ab. Denn die Grossbank steckt seit vielen Monaten in einer weitgehend selbstverschuldeten Krise. Bisher konnte sie allerdings nicht aufzeigen, wie sie aus dieser Situation herausfinden will. Einzig dies hat die CS jüngst verlauten lassen: Sie prüfe derzeit, gewisse Teile ihrer Geschäfte zu verkaufen.
Allerdings ist das sehr vage und mögliche Verkäufe gehen nicht so schnell vonstatten, gibt Andreas Venditti zu bedenken – er ist Analyst bei der Bank Vontobel: «Es geht um Verhandlungen mit potenziellen Käufern. Diese Prozesse sind nicht von heute auf morgen abgeschlossen. Ich vermute, das CS-Management braucht ein paar Wochen Zeit, um solche Verhandlungen zu Ende führen zu können.»
Deshalb schweigt die CS-Führung eisern und hält am Termin von Ende Oktober fest. Dann wird sie auch die Geschäftszahlen zum dritten Quartal präsentieren. Diese werden übrigens nichts an der schwierigen Situation der Bank ändern – denn die Zahlen werden einmal mehr wenig berauschend sein, wie die Bank selbst schon angekündigt hat.
Die Zeit drängt für die CS
Die CS steht also nicht nur unter enormem Zeitdruck, sondern sie verhandelt auch noch aus einer Position der Schwäche: «Jeder potenzielle Käufer weiss, dass die CS unbedingt Teile verkaufen möchte. Dementsprechend werden die Angebote nicht sehr attraktiv für die CS ausfallen», sagt Venditti.
Aber genau das wäre das Ziel, wenn die CS gewisse Unternehmensteile verkauft: möglichst viel frisches Kapital damit einnehmen. Denn die Bank neu aufstellen, ist teuer. Angestellte entlassen kostet viel Geld, hinzu kommen möglicherweise zusätzliche Abschreiber.
Gefangen in der Negativspirale
Der andere Weg, an frisches Kapital zu kommen, wäre über eine Kapitalerhöhung – das heisst, die Bank würde neue Aktien ausgeben. Allerdings: Je tiefer der Aktienkurs, desto mehr Aktien muss sie anbieten, um auf eine sinnvolle Summe an neuem Kapital zu kommen. Damit verärgert die Bank aber ihre bestehenden Aktionärinnen, die ohnehin schon grosse Verluste erlitten haben.
Vontobel-Analyst Venditti spricht von einer Negativspirale, in der sich die CS befindet. «Je tiefer der Kurs ist, desto verwässernder wird ein Kapitalerhöhung, wenn es dazu kommen sollte. Dementsprechend treibt dies den Kurs noch weiter nach unten.»
Die Credit Suisse muss ihre Hausaufgaben selber machen. Die Restrukturierung wird ihr niemand abnehmen.
Stellt sich die Frage, ob allenfalls plötzlich ein weisser Ritter auftaucht. Denn aufgrund des tiefen Aktienkurses ist auch der Börsenwert der CS stark gesunken und beträgt aktuell rund zehn Milliarden Franken. Das ist gleich viel wie derjenige der Privatbank Julius Bär – nur dass diese zehnmal kleiner ist. Vor diesem Hintergrund wäre es ein vergleichbar Leichtes, die CS zu übernehmen.
Was, wenn sich der Nebel lichtet?
Dieses Szenario hält Venditti allerdings im Moment für eher unwahrscheinlich: «Die Credit Suisse muss ihre Hausaufgaben selber machen. Die Restrukturierung wird ihr niemand abnehmen.» Anders sieht die Situation möglicherweise aus, wenn sich der Nebel gelichtet hat und klarer ist, wohin die CS steuert.
Gleichzeitig sind die vielen offenen Fragen rund um die Zukunft der altehrwürdigen Bank schlecht für das tägliche Geschäft. Denn im Bankgeschäft zählt vor allem eines: Vertrauen und Stabilität. Beides muss sich die Bank erst wieder erarbeiten.