Der Fall liegt schon ein paar Jahre zurück, dennoch hält er die Grossbank Credit Suisse (CS) heute noch auf Trab: Der ehemalige erfolgreiche Vermögensverwalter Patrice L. – angestellt bei der CS in Genf – hat sich während Jahren durch krumme Geschäfte bereichert und Millionenverluste in Kundendossiers verursacht.
2017 gab die Finanzmarktaufsicht Finma einen Bericht in Auftrag. Vor wenigen Wochen wurde dieser in Teilen publik und liegt SRF News heute als Ganzes vor. Er stellt gravierende Schwachstellen im Risikomanagement der Vermögensverwaltung fest.
Die Credit Suisse liess Patrice L. über Jahre gewähren, obschon sie von den Machenschaften wusste. «Anstelle den Kundenberater rechtzeitig zu disziplinieren, honorierte ihn die Bank mit hohen Entschädigungen und positiven Beurteilungen», schrieb die Finma damals zum Fall.
Harsche Rüge der Finma
Die Sache eskalierte erst, als Kunden durch illegale Börsentransaktionen Millionen verloren hatten. Dennoch seien interne Untersuchungen bis zuletzt verhindert worden, heisst es im Bericht. Die Credit Suisse ihrerseits legt Wert auf die Feststellung, dass die Informationen aus dem Bericht aus dem frühen Stadium einer abgeschlossenen Überprüfung stammten. Diese Überprüfung lieferte keine Fakten, die eine Strafuntersuchung gegen die Bank unterstützen würde. Ferner habe die Finma die Bank nicht sanktioniert.
Der Fall Patrice L. könnte für die Credit Suisse noch ein hohes finanzielles Nachspiel haben. Mehrere seiner ehemaligen Kunden haben sich zu einer Opfer-Vereinigung zusammengeschlossen und streben weltweit verschiedene Zivilverfahren gegen die Bank an.
Einer von ihnen ist der ehemalige georgische Regierungschef Bidzina Ivanishvili. Gemäss Finma-Bericht hat er durch die Machenschaften 168 Millionen Franken verloren. Derweil kämpft die Bank vor Gericht darum, dass der Bericht nicht als Beweismittel zugelassen wird.
Hohe Risiken auf Kosten der Aktionäre
Ethos-Präsident Rudolf Rechsteiner hat den Finma-Bericht analysiert. Es sei eindrücklich, wie auch in der Vermögensverwaltung der Credit Suisse mit Risiken umgegangen worden sei, sagt er. Der Fall passe zum Bild der Bank, die hohe Risiken belohne und wenn es schiefgehe, die Aktionäre zur Kasse bitte.
Das habe das CS-Investmentbanking mit den Milliardenverlusten aufgrund des Kollapses des Hedgefonds Archegos und des Risikoverbriefers Greensill eindrücklich vor Augen geführt: «Es gibt Regelverletzungen, viele Ampeln leuchten rot und solange Gewinne geschrieben werden, lässt man das zu. Wenn es dann passiert, ist der Verlust riesengross. Hier hat der Verwaltungsrat seit Jahren mehr oder weniger zugeschaut und zur Kenntnis genommen. Er hat nicht funktioniert», so Rechsteiner.
Die Credit Suisse schreibt SRF News: «Aufgrund der Ereignisse sind bereits wichtige Änderungen im Senior Management der Geschäfts- und Kontrollfunktionen vorgenommen und eine unabhängige Untersuchung in Auftrag gegeben worden.» Die Bank wolle informieren, sobald diese vorliegen.
Aktionäre fordern harte Konsequenzen
Ethos berät über 220 Schweizer Pensionskassen in Sachen nachhaltige Entwicklung. Sie fordert schon seit Jahren den Rücktritt von CS-Verwaltungsratspräsident Urs Rohner. Und an der Generalversammlung vom 30. April zusätzlich den Rücktritt des für das Risikomanagement zuständigen Verwaltungsrats Andreas Gottschling.
Ebenso empfiehlt Ethos dem Vergütungsbericht eine Absage zu erteilen. Auch Dividenden sollen keine ausgeschüttet werden, da die Bank die finanziellen Mittel benötige, um sich zu stabilisieren, so Ethos. Gewichtige Aktionäre wie der norwegische Staatsfonds oder der US-Vermögensverwalter Harris Associates unterstützen diese Anliegen, wie der «Tagesanzeiger» schreibt.