Aymo Brunetti, Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Bern, war früher Leiter der Expertengruppe Weiterentwicklung Finanzmarktstrategie und war damit einer der Väter der heutigen «too big to fail»-Regelung. Erstmals nach Bekanntgabe der CS-Übernahme durch die UBS nimmt Brunetti Stellung zur Kritik, die Regelungen hätten versagt.
SRF News: Aymo Brunetti, Sie haben die Regelungen mit ausgearbeitet. Nun werden diese «too big to fail»-Regeln im Fall der Credit Suisse gar nicht angewendet. Wie beurteilen Sie das?
Aymo Brunetti: Die Regelung, dass man die Bank wirklich in den Konkurs schickt, ist quasi die Ultima Ratio. Man hat immer gesagt, man muss das machen können, aber das geht extrem weit. Und man hat jetzt eigentlich eine alternative Lösung gefunden, die nicht so weit geht, die nicht dermassen viele Verwerfungen bringt. In einer Güterabwägung ergibt es Sinn, dass man versucht, eine solche Lösung zu machen, wie wenn man den letzten Weg geht.
Es herrscht trotzdem das Gefühl, dass man jahrelang an den Regeln gearbeitet hat und sie jetzt nicht braucht.
Das Regelwerk besteht aus einem Teil, der zur Anwendung kommt, wenn die Bank lebt, mit höheren Kapital- und Liquiditätsanforderungen. Das hat viel Stabilität gebracht. Aber beim zweiten Teil geht es darum, dass man in einer Krise eine Bank aufteilen kann in den systemrelevanten Schweizer Teil und in den Rest der Bank, den man abwickeln kann. Eine Schweizer Einheit hätte man gut schaffen können, ist meine Einschätzung. Beim zweiten Teil ist die Einschätzung gewesen, dass das sehr disruptiv sein könnte, weil die Finanzmärkte im Moment in Turbulenzen sind.
Laut der «Financial Times» hat das Ausland die Lösung für die Schweiz diktiert, vor allem die USA. Sie hätten dem Bundesrat gesagt, was er machen muss, egal ob eine Regelung gibt oder nicht.
Diktieren kann das Ausland natürlich nichts. Neben der Sache, ob man den systemrelevanten Schweizer Teil retten kann, war für die Schweiz natürlich relevant, ob man im Ausland starke Verwerfungen riskiert. Da ist verständlich, dass die USA und andere Länder uns sagen, dass so eine Lösung für sie besser wäre. Aber zwingen können Sie uns nicht.
Man kann auch sagen, die «too big to fail»-Regelungen seien zu wenig gut, hätten nicht gegriffen, weil es potenzielle Verwerfungen hätte geben können.
Es ist wichtig, dass man im Nachgang genau analysiert, warum man das wirklich nicht hat machen können. Oder ob es eine Abwägung gewesen ist und man es trotzdem hätte machen können. Wenn man es tatsächlich nicht machen kann, dann muss man die ganze Regelung hinterfragen.
Ich würde es ausserordentlich begrüssen, die Credit Suisse Schweiz als Bank abzuspalten.
Das heisst, die Regelung müsste jetzt überarbeitet werden, umso mehr, weil die UBS noch grösser geworden ist.
Ja, vor allem, wenn sich herausstellen sollte, dass man die CS tatsächlich nicht abwickeln konnte – dann besteht wirklich ein gesteigerter regulatorischer Handlungsbedarf.
Es gibt Forderungen, die Credit Suisse Schweiz als Bank abzuspalten. Wie sehen Sie das?
Das würde ich ausserordentlich begrüssen. Denn man schafft jetzt schon eine sehr grosse schweizerische Einheit. Es wäre viel sinnvoller, wenn man die abspalten könnte. Natürlich hat die UBS das Recht, zu entscheiden. Aber auch aus Sicht der UBS wäre der Regulierungsdruck kleiner, wenn man nicht eine so riesige Einheit in der Schweiz hat. Man hätte auch weniger Probleme mit all den Herausforderungen, etwa dem anstehenden Stellenabbau. Wenn man diese Einheiten nicht alle in einer einzigen grossen Bank drin hat, wäre das auch aus Sicht der schweizerischen Volkswirtschaft zu begrüssen.
Das Gespräch führte Tobias Bossard.