In der Krise um die Credit Suisse war die britische «Financial Times» (FT) besser informiert als alle anderen. Auch als sich übers Wochenende die Übernahme durch die UBS abzuzeichnen begann. Heute hat die FT einen Artikel zum Ablauf der Verhandlungen veröffentlicht, der erhebliches politisches Sprengpotenzial haben dürfte.
Hier der ganze FT-Artikel, übersetzt durch swissinfo.ch
Die Geschichte beginnt am letzten Mittwoch, als die CS-Aktie um bis zu 30 Prozent nachgibt. Spätestens jetzt realisiert die breite Öffentlichkeit, dass die Grossbank in einer gröberen Krise steckt. Dass das der Anfang vom Ende der CS ist, denken wohl nur die wenigsten.
Das angebliche Telefonat vom Mittwoch
Hinter den Kulissen soll aber genau das bereits damals klar gewesen sein, behauptet die «Financial Times»: An jenem Mittwoch hätten Nationalbank, Finanzmarktaufsicht Finma und Finanzdepartement mit dem CEO und dem Verwaltungsratspräsidenten der CS telefoniert. Mit folgender unmissverständlich Message: Die CS werde von der UBS übernommen, andere Optionen gebe es nicht. Der Deal müsse bis Sonntag unter Dach sein.
Weiter berichtet die FT ausführlich, wie Finanzministerin Karin Keller-Sutter unter grossem internationalem Druck gestanden habe. In ziemlich vulgärer Sprache soll ein Berater der UBS zur FT gesagt haben, dass vor allem die USA und Frankreich massiven Druck auf die Schweiz ausgeübt haben sollen. So zitiert die FT: «In particular the US and the French were kicking the shit out of the Swiss.»
In particular the US and the French were kicking the shit out of the Swiss.
Weiter schreibt die FT, dass die Verhandlungen anfänglich freundlich gewesen seien, dass aber mit der Zeit die Schweizer Behörden immer grösseren Druck auf die beiden Grossbanken ausgeübt haben sollen. Vor allem die CS habe zeitweise massiven Widerstand geleistet. Die UBS habe dann ihrerseits ihre Machtposition ausgespielt, um die CS möglichst günstig zu kaufen.
Hat das Ausland diktiert?
Belegt sind diese Aussagen nicht. Aber die FT ist bekanntlich bestens informiert. Und so stellen sich aufgrund des Artikels verschiedene Fragen. Hat das Ausland – und dabei vor allem die USA – der Schweiz diktiert, wie eine Lösung aussehen soll? Hat das Ausland den Bundesrat also de facto gezwungen, Notrecht anzuwenden, um Schweizer Recht zu übersteuern und die Lösung zu ermöglichen?
Und haben die Behörden tatsächlich schon am Mittwoch der CS klargemacht, was Sache ist? Das wäre bemerkenswert, weil SNB und Finma noch am Mittwochabend mitteilten, dass von den Problemen in den USA keine Ansteckungsgefahr für den Schweizer Finanzmarkt ausgehe und dass die CS die notwendigen finanziellen Anforderungen erfülle.
Dementis tönen anders
Was sagen die Behörden dazu? Die Nationalbank hat gar nicht reagiert. Die Finma schreibt lediglich: «Wir haben keinen Kommentar.» Das Finanzdepartement teilt mit: «Zu den Kontakten mit ausländischen Behörden und den Banken wurden an der Medienkonferenz vom 19. März Angaben gemacht. Dem haben wir nichts beizufügen.»
Tatsächlich äusserte sich auch Finanzministerin Karin Keller-Sutter an jener Medienkonferenz nur sehr allgemein: «Erste Gespräche mit der UBS und der CS haben bereits am letzten Mittwochnachmittag, also am 15. März, stattgefunden. In den nachfolgenden Tagen und Stunden wurden die Verhandlungen vorangetrieben.» Und zu den Kontakten mit dem Ausland sagte sie: «Ausserdem stand ich täglich im Austausch mit Kollegen im Ausland, insbesondere mit Kollegin Janet Yellen aus den USA und auch Jeremy Hunt in UK.»