Worum geht es? Die Zwangsübernahme der Credit Suisse durch die UBS stösst weltweit auf viel Aufmerksamkeit. Am heftigsten diskutiert wird am Kapitalmarkt, ob es zulässig ist, die Halter von CS-Anleihen schlechter zu stellen als die Besitzer von CS-Aktien. Der Entscheid sorgt für Unmut, weil die Hierarchie bis jetzt eine andere war: Usus ist, dass zuerst Besitzerinnen und Besitzer von Aktien ihr Geld verlieren – und erst danach diejenigen von Anleihen. Dieses Prinzip wird bei der Credit Suisse nun auf den Kopf gestellt.
Welche Anleihen sind nun ein Totalausfall? Die CS-Aktionäre erhalten rund 76 Rappen pro Aktie, in Form von UBS-Aktien. Demgegenüber gibt es eine spezielle Kategorie Anleihe, die sogenannten Additional-Tier-1-Anleihen (AT1). In dieser Kategorie werden im Rahmen der CS-Übernahme 16.2 Milliarden Franken abgeschrieben. Das heisst, die UBS übernimmt diese Schulden nicht – die Besitzer dieser AT1-Anleihen gehen tatsächlich leer aus. Jetzt sind sie empört, weil normalerweise Besitzer von Aktien in einem Konkursfall zuerst alles verlieren – vor den Besitzern von Anleihen.
Regen sich die Halter dieser speziellen Anleihen zu Recht auf? Nein. Zum einen ist die CS kein Konkursfall. Sie wird aufgekauft durch die UBS. Wichtiger aber: Im Prospekt dieser speziellen AT1-Anleihen steht klipp und klar, dass die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma im Notfall das Recht hat, so vorzugehen, wie sie eben vorgeht: nämlich diese AT1-Anleihen abzuschreiben. Selbst dann, wenn die Aktionäre noch etwas erhalten.
Es gibt im Prospekt dieser Anleihen sogar noch eine weitere Klausel, die man anrufen könnte. Nämlich jene, dass die Anleihen verfallen können, wenn die öffentliche Hand bei einer Rettung mithilft.
Gab es in der Geschichte schon andere Fälle, bei denen Aktionäre besser wegkamen als Anleihen-Besitzer? Diese speziellen Anleihen sind relativ neu. Man hat sie nach der Finanzkrise ins Leben gerufen, um Ausfallrisiken von Steuerzahlern und Steuerzahlerinnen weg an den Kapitalmarkt zu verlagern. AT1-Anleihen sind quasi ein Zwitter zwischen Fremdkapital und Eigenkapital. Einen ersten Ausfall solcher Papiere gab es 2017 beim Konkurs der spanischen Bank Banco Popular. Damals verloren aber auch die Aktionäre der Bank ihr Geld vollständig. In dem Sinn ist der Abschreiber der CS-AT1-Anleihen eine Premiere.
Wer besitzt diese speziellen Anleihen überhaupt? AT1-Anleihen sind in den Händen von Profi-Investoren, Hedgefonds, Fondsgesellschaften und Family-Offices. Letztere dienen der Verwaltung des Familienvermögens. Diese Profis wissen, dass AT1-Anleihen sehr risikoreich sind. Sie haben sich dafür auch fürstlich entlöhnen lassen: Die CS zahlte bis zu 9.5 Prozent Zins auf diesen Papieren, was horrend war.
Was sind die grösseren Auswirkungen für den Markt? Am Montag verloren Fonds, in denen solche speziellen Anleihen stecken, weltweit an Wert. Es sind rund 260 Milliarden Dollar solcher AT1-Anleihen ausstehend. Besitzer und Besitzerinnen der Anleihen sind aufgeschreckt, weil ihnen in Erinnerung gerufen wird, dass man für die Anleihen zwar viel Zins erhält, damit im Gegenzug aber viel Risiko eingeht – und dass man auch das Kleingeschriebene in den Prospekten lesen sollte.